Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 30. November – 5. Dezember 1930

Sonntag 30.11. Vormittag Spaziergang mit A. bei gutem Wetter. Trotzdem
stimmungslos. Sein Aussehen elend. Habe Dr. D. meine Bedenken te¬
lefoniert.

Nachmittag bei Baronin Guttmann zum Thee, Abend bei A. Ging zeitlich
fort, um jeder Gereiztheit auszuweichen.

1.12. Vormittag Stadt. Nachmittag Frieda den Schluss der Novelle
diktiert (»Mütter«) und sie A. hinübergeschickt. Dann zum Nachtmahl
zu Otto, Emmy, wo auch Fredi anwesend war. Ganz gemütlich. Zuhause um
11 Uhr Nachts rief mich A. an, um mir zu sagen, dass die Novelle zum
Besten gehört, was ich geschrieben habe, sie sei staunenswert gut.

2.12. Sah A. auch heute nicht. Vormittag Stadt, Nachmittag bei Emmy
Erlanger (Frau Prof. Fränkel, Baronin Margutti, Frau Veith). Abend
allein zuhause.

3.12. Trebitsch und Gattin, Anna und Gisela Berger zum Thee bei mir.
Später auch A. Nach Fortgang der beiden Trebitsch blieben Anna, Gi¬
sela mit A. zum Nachtmahl. Es war ganz nett, aber A. Ziemlich unbe¬
teiligt meist mit dem Radio beschäftigt, ging mit den beiden Damen
gleichzeitig fort.

4.12. Mit A. Vormittag kurzer Spaziergang, dann in die Stadt. Ich bin
freundlich, kühl, wie es die Situation erfordert. Am Abend bei Tolnay,
A. bei Louis Friedmann eingeladen. Er kam mich in meinem neuen
schwarzen Spitzenkleid ansehen, fand mich »bildhübsch« und machte
mir einige Komplimente. Ich habe mich sehr gut unterhalten. Die ein¬
zige gut aussehende Frau. Globoznik und Henry Menasse meine Tisch¬
herren machten mir sehr den Hof. Für mein »Selbstbewusstsein« sind
solche Gesellschaften sehr zuträglich. Der alte Zsolnay (Vater vom
Verleger) brachte mich nachhause. Henry M. war nicht sehr entzückt
darüber, aber es war ganz gut so, ich mag den Lumpen nicht.

5.12. Vormittag Stadt. Gutes Wetter. Nachmittag Herma Artaria, rei¬