Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 16. November 1930

Wien, 16.11.1930.

An A.S., Berlin.

Liebes,

ich komme eben aus dem Kaasgraben, wo es recht gemütlich war
(nur Familie) und wo eigentlich nur von der Wohnung der Kinder geredet
wurde, die sie am 1. beziehen dürften. Das Wetter ist wieder miserabel
(Regengüsse), was mich leider ein Taxi hin und zurück kostet. Meine Er¬
kältung ist besser, aber noch immer nicht ganz gut und diese ganze
jetzige Labilität meines Befindens ärgert mich.

Deine Stimmung heute am Telefon schien ganz gut und ich bin
sehr froh, dass Du Dich weiter wohl fühlst. Haben Dich nicht Alle sehr
gut aussehend und vergnügt gefunden?

Was den Titel der Novelle anbelangt, möchte ich nur noch sa¬
gen, dass für mein Ohr »Flucht ins Dunkel« schon wegen der beiden U
einen viel weniger guten und suggestiven, vielleicht auch wenigen rhyth¬
mischen Klang hat, als »Flucht in die Nacht« und dasselbe sagt. Ja, durch
den Schluss, wo er wirklich in die »klingende« Nacht hinaus flieht, hat
dieses Wort in seinem Doppelsinn mehr Berechtigung.

Flucht oder Weg in die Dunkelheit oder in die Finsternis
waren die ersten Titel, die ich Dir vor der Lektüre nach Berlin mitgab.
ich bin begierig, wofür Du Dich entscheidest.

Morgen Vormittag will ich zeitlich in die Stadt, da ich Eini¬
ges zu besorgen habe. Nachmittag erledige ich einen Besuch und gegen
Abend kommt vielleicht Frieda zum Nachtmahl und Diktat. Ich bin im
zweiten Teil der Novelle schon recht weit, sehe aber noch grosse Schwie¬
rigkeiten.–Ich kämpfe momentan, wie Du vielleicht merkst, mit einer elen¬
den Feder und einem miserablen Briefpapier aus der Tabaktrafik.

Arbeitest Du dort eigentlich auch ein wenig? Hast Du den
»Zug der Schatten« mit? Ich gebe ihn noch lange nicht auf. Vielleicht
solltest Du ihn dem Horch privat zu lesen geben. Ich erhoffe noch Brief
und Telefon, wie Du heute angekündigt hast und freue mich einem guten
Wiedersehen entgegen. Du auch?

Ich umarme Dich. Deine C.K.