Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 14. November 1930

Berlin, 14.11.1930

Liebstes, heute Mittag erst Dein erster Brief, für den ich in viel¬
facher Hinsicht zu danken habe. Deine Bemerkungen zu der Novelle
sind alle sehr beherzigenswort und ich werde so ziemlich alle beher¬
zigen resp. begeistigen. Auch der Titel »Flucht in die Nacht« dürfte
der beste sein. Ueber die Diagnose werden wir noch sprechen. Gewiss
ist die Komödianterei ein wesentliches Element in Roberts Seelenzu¬
stand, aber die Zwangsläufigkeit der Gedanken eine zweifellos patholo¬
gisches Element, das zur wirklichen Geisteskrankheit wird, sobald die
Fähigkeit oder Korrektur wegfällt.

Im übrigen aber habe ich mit Wiegler gesprochen (der mit mir gegessen
hat), der die Novelle eben las (Krell hat sie ihm übergeben); sie
wird als sehr spannend begutachtet und ich denke, dass eines der Ull¬
steinblätter sie bringen wird (was ein relativ hohes Honorar bedeutet).
Als Buch aber lass ich sie jedesfalls bei S. F. erscheinen. Hingegen
unangenehme Telegramme aus Amerika. Das Raubgesindel ist an der Arbeit¬
die Tonfilmrechte Anatol sind scheints bereits vergeben – ich weiss
noch nicht auf welchem Weg und ich werde zu tun haben, um mir einen
Anteil zu sichern. Selber dort sein – das wäre die Lösung, aber ich
kann nicht daran denken (obwohl mein Befinden jetzt sehr gut ist). Ich
erwarte eben Schröder (wegen Liebelei Tonfilm). Auch die gestrige Kon¬
ferenz mit Dr. Mohrenwitz (für Amerika: Casanova oder Kakadu) vielleicht
nicht ganz aussichtslos. (Wenn ich die Leute immer persönlich in der
Hand hätte).

Gestern Abend bei Michaelis mit Heini Ruth, Frau Lossen und Fischers (der
nicht wagt die Vorrede von Schinnerer zu drucken, aber am Reigen (vorläu¬
fig) festhält. Werden sehen.

Vorgestern Heini als Fürst im Bürger Schippel, vorzüglich. Die Wohnung
ist noch nicht beziehbar, vielleicht ein paar Tage Hotel notwendig.