Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 12. November 1930


bis er Angst bekommt, man könnte ihn wirklich dafür halten. Ob alle Men¬
schen dieses Buch so auffassen werden, weiss ich nicht, bezweifle ich
sogar, ist aber für den Erfolg auch belanglos. Mich hat es als Kunst¬
werktief erschüttert, nicht als Krankengeschichten, und mich auch nicht in
diesem Sinn gequält.

Vielleicht wären als Titel Spiel mit dem Wahn
oder Der Abgründige, die zutreffendsten, aber halte ich in erster
Linie »Flucht in die Nacht« für den wirksamsten und bezeichnendsten.
Nacht, – sowohl im Sinn des Schlusses, wie im Sinn von Umnachtung ge¬
meint. Ich finde, dieser Titel klingt auch sehr schön, sehr vielverspre¬
chend, dürfte buchhändlerisch sehr wirksam sein und ich glaube nicht,
dass sich ein viel besserer finden lässt. Auch der »Weg ins Dunkel«
und noch einige, die ich Dir bereits mitgab, lassen sich erwägen, aber
»Flucht in die Nacht« ist unbedingt der beste.

Jetzt noch ein paar Kleinigkeiten teils stilistischer
Art. Auf Seite 1, gleich am Anfang, stimmt etwas mit dem Wort »hätte«
nicht, auf S. 10 finde ich das Wort »Fremdenherberge« zu antiquiert,
auf S.11 »gegenüber rechts« nicht sehr gut ausgedrückt, Seite 34 an¬
statt »noch heute Abend« besser: am selben Abend. Seite 81 würde ich
den Verdacht der »Verrücktheit« bei Herrn Langer fortlassen, weil er
unwahrscheinlich und als Krankheitssymptom für Robert doch nicht wirkt.
Seite 98 »nicht scharf umrissen« eine nicht klare Stelle. Seite 100
die Worte »zurücktrieb« und »Lebensgetriebe« zu rasch nacheinander.

Da die Novelle schon wieder bei Frieda ist, kann ich nach
dieser einmaligen Lektüre nicht mehr sagen. Ich glaube, dass sie ein
ungeheuerer Erfolg sein wird und wünsche es Dir von ganzem Herzen.

Ich bin und bleibe im Bett, so zuwider es mir ist, aber ich
will diese dumme Erkältung einmal los sein. An Lektüre und Arbeit