Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 5.–8. November 1930

5.11. A. teilt mir mit, dass Frau Clauser ihn für morgen Abend einge¬
laden hat mit ihr ins Theater zu gehen. Ich sage, ich finde es be¬
greiflich, dass er geht, aber geschmacklos von ihr ihn allein eingela¬
den zu haben, worüber er sofort wütend ist.

Sekretär Weil ruft mich persönlich an, um mich um meine Stücke zur
einmaligen Aufführung in der Komödie zu bitten. Ich lehne wieder ab,
worüber er beleidigt scheint.

Zum Thee bei Königswarter. Dann mit A. bei »Soldat Schweik« mit Pal¬
lenberg, der brillant ist. Abend höchst ungemütlich, weil ich Frau
Clausers Einladung nicht gut heisse, ohne gegen A. irgendwie verstimmt
oder unfreundlich zu sein.

6.10. Frau Clauser hat plötzlich eine Loge bekommen und auch mich ein¬
geladen. Das hätste sie gleich tun können. Abend recht nett. Frau
Clauser klagt über Herzbeschwerden. Zu Dritt im Imperial nach der
sehr hübschen Operette im Stadttheater »Walzer in Wien«.

7.11. Man spricht nur von den Wahlen. Abend Kino: »Die singende
Stadt«. Recht langweilig, der ganze Abend beklommen. Montag fährt A.
nach Berlin.

Direktor Preminger von der Josefstadt telefoniert, dass er die »Cor¬
day« ausserordentlich findet, aber dass sie über die Möglichkeiten
des Josefstädter Theaters hinausgeht, sie nicht einmal die Möglich¬
keit hätten das Stück zu besetzen.

A. frug mich heute, warum ich so besonders traurig bin. Ich sagte,
ich sei es nicht mehr als immer, nur dass ich manchmal zu müde bin,
um mich heiter zu stellen.

8.11. Viel gearbeitet. Abend im Kino »Unter den Dächern von Paris«.
Nachher »Linde.« Auf der Heimfahrt schlang A. seinen Arm um mich.
Zärtlichkeit? Mitleid? Ich glaube nichts mehr. Zum ersten Mal seit
Wochen eine herzliche Bewegung – vielleicht, weil er übermorgen nach
Berlin fährt.