Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 4.–7. September 1930

4.9. Langweilige Fahrt nach Karlsbad. Ich habe eine heftige Neuralgie
im Kopf, der die Kälte im Auto nicht gut tut. Aufenthalt in Elbogen, wo
wir frühstücken, die Stadt besichtigen und ich A. wiederholt photogra¬
phiere. Hier war Goethe mit Ulrike von Lewetzow.

Wiedersehen mit Karlsbad freut mich nicht, musste weinen, als ich A. das
Fenster meines Zimmers zeigte. Zuhause hatte A. Brief von der O. Der
21jährige Reisegefährte, ein Musiker Conrad, wohnt jetzt bei ihr. A.
findet es auch scham- und geschmacklos. Ich habe schon von dieser Sache
im Winter gehört. Unglaublich, wenn man einen Sohn in derselben Stadt
hat, der älter ist als der Liebhaber. A. scheint sich teilweise zu freuen,
teilweise angeekelt zu sein.

Ich möchte mich so gerne wirklich erholen.

5.9. Tage von besonderer Oedigkeit. A. ziemlich düster. Ich Vormittag al¬
lein beim Goethesitz. A. den ganzen Nachmittag mit Thermophor am Leib,
isst am Abend einen Riesenrostbraten mit Zwiebel. Die Clauser hat ihn ich
glaube aus Wien angerufen.

6.9. Vormittag beim Bezirkshauptmann Dr. Lermann wegen Kurtaxermässigung.
Charmanter Mensch, anregendes Gespräch. Wie nett sind manche Menschen zu
mir. Habe erreicht, was ich wollte. Werde ihm von Wien eine meiner Arbei¬
ten senden. Später trister Spaziergang mit A. Im Carltenhotel Zimmer,
resp. Appartement für ein andermal angesehen, 55 und 56 kommen in Be¬
tracht. Nachmittag A. noch melancholischer. Ich gebe mir solche Mühe
lieb zu ihm zu sein. Ich sehe etwas besser aus und bin ruhiger geworden.
Noch nicht genug für den Winter, der kommt.

7.9. Mit Einpacken begonnen, damit ich morgen A. helfen kann. Bessere
Stimmung, gemeinsames Frühstück. Beschäftige mich mit der Ilias, da der
Gedanke eine Helena zu schreiben in den letzten Tagen lebendiger in mir
wurde.– Um ½3 Anruf aus Berlin mit Voranmeldung. A. sagte S. Fischer. Ich