Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 3. August 1930

St.Moritz 3.8.1930. Grand Hotel Victoria

(nach Wien XIX. Hochschulstr.)

Liebe, wieder einmal ein regenschwerer verfrühter Herbsttag, eigentlich
hätte man das Bedürfnis südlicher zu fahren, wenn das nicht so umständ¬
lich wäre. So hofft man auf den nächsten als auf einen Sonntag, der
verwöhnen soll. Heute Mittag soll ich wieder bei Ludwig zu Mittag es¬
sen, heute mit der Witwe des Tropenforschers Schliemann. Gestern, es
war nicht mehr zu vermeiden, hab ich im Privathotel bei Sachs de Re¬
naud gespeist; es war ganz erträglich, viel von Hugo und Minnie; – sowie
auch von »Mimi« – Frau Benedikt hatte sich damals eingebildet, dass
mit Mimi die Minnie gemeint sei – und Hugo hatte Dich in Schutz ge¬
nommen. Wie sonderbar, dass diese Sache, die nun über drei Jahrzehnte
lang vorbei ist, so heutig auf mich wirkte.-

Am ersten Abend, dem Nationalfeiertag, mit Heini, Ruth in Prontresina,
ins Schlosshotel von Jakob (und Martha) geladen; am gleichen Tisch
S. Fischers; (nachher sah man noch dem Tanze zu[)]. (W.’s wollen heute
noch nach Aussee zurück).

Spaziergänge, so weit sie möglich sind, fast immer allein; – gelegent¬
lich eine Stunde mit Julius oder mit Heini. – Arbeit recht mässig,-
bisher ohne Glauben, nur mit Zug beschäftigt; das Befinden könnte auch
besser sein.

Besprechungen aller Art: Rudolf Lothar, Direktor Altmann (Hannover,-
der die deutsche Urpremière vom »Spiel der Sommerlüfte«, bringen wird,-
einer der Guild-Directoren New York), der Einsamen Weg inszenirt; Herr
Stefan Auspitz (hier die Liebenswürdigkeit in Person), Dr. Richard
Wolff (mit dem ich Carambole spiele), Frau Denise Heller, (die ich bis¬
her nicht kannte und die mir im Auftrag von Frau Clauser ein fran¬
zösisches Honorar von Stock überbrachte), Herr von Zsolnay, der Ael¬
tere, der den hier im Hotel weilenden Tolnay besuchte. Und andere
mehr.–Im ganzen aber hat man überhaupt nicht den Eindruck von Saison:
[»]Victoria« – statt 300 Gästen hat 130; – das Stahlbad – statt 450, -150;