Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 23. Juli 1930

Wien, 23.7.1930.

An A.S.

Mein liebes Kind, ich habe Dir gestern Deinem Wunsch entsprechend tele¬
graphiert.

Ich bin am Dienstag Abend wirklich in recht mässiger Verfassung heim¬
gekehrt. Ob die vielen Schmerzen, die ich seit 3 Wochen mitmache,
tatsächlich die Anzeichen einer wohltätigen Kurwirkung sind, wird sich
ja herausstellen. Dass die Kur durch meine vollständige Nervenzerrüt¬
tung nicht günstig beeinflusst war, ist sicher. Aber über diese Dinge
möchte ich vorderhand nicht mehr sagen, umso mehr als mein Allgemein¬
befinden kein gutes ist.

Nun zu Deinem Brief. Seine Beantwortung ist schwer, weil er gerade das,
was Du von ihm behauptest nicht ist – nämlich weder einfach noch klar.
Aber ich will es versuchen.

Wenn Du sagst, dass Du mich, mein lebendiges Dasein, meine Gegenwärtigkeit
aus Deiner Existenz nicht wegzudenken vermagst und annimmt, dass ich
in Bezug auf Dich ebenso empfinde, so hast Du wohl Recht. Ich wage es
nicht den Gedanken zu Ende zu denken und war doch fest entschlossen,
wenn Deine Antwort mir keine Hoffnung für eine glücklichere Zukunft
bringt, diese Wohnung zu verlassen, die Möbel teilweise meinen Kindern
zu geben, alles übrige zu Geld zu machen und mir irgendwo fern von Wien
eine bescheidene Existenz zu suchen. Ich wäre wahrscheinlich auf die¬
sem Weg zusammengebrochen, aber das hätte sich Deiner Kenntnisse
entzogen.

Aber auch der Gedanke an eine Beziehung, wie sie sich in dem letzten
Jahr zu entwickeln drohte, ist trostlos, wenn das, was ich in meinem
letzten Schreiben Voraussetzung nannte, nicht vorhanden wäre.

Um eines leisen Hoffnungsschimmers willen, einiger Worte, die in
Deinem Brief eingestreut sind, mache ich vor schwerwiegenden Entschlüs¬
sen Halt und versuche es noch mit meinem Herzen zu Dir zu sprechen.–