Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 5.–6.7.1930


im Café Fupp (10 Ck) und am Abend nehm ich mir was Kaltes nachhaus
oder ess unterwegs zwei Eier. Ab ½9 war ich bisher immer zuhaus. Wohin
sollt ich auch?

Freitag war ich beim Arzt Dr. Deutsch, der schon in Beisein Dr. Koprivas,
des Vertreters, zu sprechen war. Ein sehr redseliger (trotz der Überstan¬
denen Mandeloperation) und überaus liebenswürdiger Jude, der mich sehr
gründlich untersuchte.

Ich hatte nämlich Donnerstag nach dem 2. Glas Marktbrunn einen sehr
argen Aufregungszustand (Weinkrampf etc.) und konnte in der Nacht trotz
2 Sedrobrol und 1 Phanodorm nicht schlafen. Er sagte, diese Aufregungs-
zustände pflegen nach Martbrunn (merkwürdigerweise nur bei jüngeren
Menschen) vorzukommen. Meine Nerven seien sehr herunter, leichte Entzündung
der Gallenwege.

Ich stehe täglich um 6 Uhr auf, bin gegen 7 Uhr beim Brunnen, damit ich
um 8 Uhr frührtücken kann.

Vorgestern war ich hier am Vormittag in der Kunstausstellung, wo zwei
hübsche Landschaftem von Fredi hängen.

6.7.1930.

Heute sprachen wir uns telefonisch. Leider hat die Verbindung nicht
recht funktioniert. Ich freue mich, dass Heini bei Dir ist. Bitte grüsse
ihn auch sehr herzlich von mir. Ich freue mich auch für Dich, dass die
Beziehungen zu Amerika sich so günstig gestalten. Hoffentlich wird auch
zunehmende Sorglosigkeit in dieser Richtung Deinen Nerven gut tun.
Ueber meine Sparerei zerbrich Dir doch bitte nicht den Kopf. Ich lebe
noch immer über meine Verhältnisse und wenn ich viel Geld hätte
würde ich es mit Wonne ausgeben. Aber ich mag nun einmal nichts tun,
was fallweise Gewissensbisse und Seelenqualen auslöst. Das ist schlim¬
mer als diese kleine Entbehrungen.–Das Wetter ist eher etwas unsicher,
zeitweise leicht abgekühlt.

Gestern kein besonders guter Tag.-Dieser Kolonadenrummel ist etwas Gro¬
teskes und Trübseliges. Zwischen den zahllosen Juden taucht hie und da