Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 5. Juli 1930


Dregulein verschwinden, man hat genug von ihm und das Gespräch mit Ri¬
chard ist peinlich und für den Verlauf des Stückes überflüssig.
Was mich in dem Gespräch Mathilde-Richard so sehr an die Komödie
der Verfügung erinnert, ist wohl noch mehr die Diktion als der In¬
halt bis auf den Satz: »Fordern, immer nur fordern, Gegenwart, Vergan¬
genheit und Zukunft, – alles!« Vielleicht könntest du das anders formu¬
lieren. Uebrigens ist das "Fordern" kein Gegenbeweis für Liebe. Nur
fordern ohne geben zu können ist Schuld oder Fehler, wie Du es nennen
willst.

Vielleicht könnte Richard das stärker zum Ausdruck bringen. Vielleicht
so; dass er Franzi nie wirklich lieben konnte, weil eigentlich Wesen von
der Reinheit Mathildens seine tiefste Sehnsucht sind und Mathilde
nicht wirklich liebte, weil er in Franzi verliebt war.

Ich komme mir eigentlich sehr anmassend vor, dass ich Dir das alles
schreibe und ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel. Es käme mir so
dumm vor nur zu sagen -es gefällt mir sehr, ohne die kleinen Einwen¬
dungen zu äussern.

Für Deine ersten lieben Zeilen, die am Freitag Abend eintrafen, danke
ich Dir herzlich. Warum berühren Dich die kleinen Entbehrungen unange¬
nehm, die ich mir durch mein »Sparsystem« auferlege? Warum gerade die?
Ich kann Dich übrigens beruhigen- ich esse ganz genug und nicht schlecht.
Es gibt sicher viele Leute hier, die bescheidener und manche, die viel
besser leben. Ich esse einmal im Tag im Hotel Bristol drüben, was
für mich sehr bequem ist und ich sitze unter kultiviert aussehenden
Menschen (meist Engländern) auf einer schönen, schattigen Terrasse, al¬
les sehr gut zubereitet und mehr gut serviert. Ich könnte in einem
zweiten Rang-Restaurant sicher 10 Ck.ersparen, aber ich müsste den
Schlossberg hinunter und wieder hinauf, was bei der Hitze und der
ohnedies sehr anstrengenden Kur recht zuwider wäre. Frühstücken tu ich