Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 3. Juli 1930

Bis 6 Uhr zuhause, »Zug der Schatten« durchgelesen. Obwohl
ich das Stück mit mehr innerer Ruhe gleich nochmals lesen werde,
möchte ich über den frischen Eindruck vorerst folgendes sagen; halte
die Theaterwirkung für durchaus sicher, ziehe es nach wie vor dem
»Spiel der Sommerlüfte« vor, finde im Kaffeehausbild ein Ritardando
nötig, ehe Richard den Brief schreibt. Irgend etwas muss noch treiben¬
de Kraft werden, – etwa Bemerkungen oder ein Gespräch über Schauspie¬
lerinnen, ohne dass der Name Franzi fällt, Nach der Schachpartie
während Richard scheinbar die Zeitung liest. Es handelt
sich da um ein paarscharfe oder starke Worte vielleicht. Sonst
finde ich gerade dieses Bild sehr gut. Das letzte Bild ist sehr schön,
besonders der Ausklang, nur halte ich das letzte Zusammensein zwi¬
schen Richard und Ludwig für ganz überflüssig und irgendwie pein¬
lich. Ludwig sollte sich mit aufgestelltem Rockkragen drücken, ehe
Richard auftaucht.

Das Gespräch Mathilde – Richard zum Schluss, das Hinsetzen
Mathildens gefällt mir sehr. Nur an ein paar Stellen streift die¬
ses Gespräch an die Komödie der Verführung -Falkenir-Aurelie,
was sich leicht vermeiden liesse. Ich wäre für etwas kürzer und
etwas stärker. Ich werde darauf noch nach der zweiten Lektüre
zurü[c]kkommen.

Das Bild im Logengang ist noch immer das schwächste. Zu viel
Durcheinander, zu viel Konflikte, zum viel Peinlichkeit. Die Roveda
spielt eine zu grosse Rolle. Der Kuss muss fort. Er stört die hüb¬
sche Beziehung Karl-Helene. Ludwig spielt schon eine recht unsympa¬
thische Figur, Richard ist ein wenn auch nicht unsympathischer
Schwächling. Lass den Dichter reinlich und einen Mann sein. Man
kann sich der Verführung einer Roveda noch entziehen, besonders
wenn man eine Andere wirklich lieb hat. Ob Frau Eyderhof im Theater sein
muss ist auch die Frage. Schliesslich ist ihr Liebhaber (wenn auch