Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 6.–10. Juli 1930


Jägerhaus, Freundschaftshöhe.

Montag. Müdigkeit, Herzbeschwerden, Einsamkeit. Beginne die »Corday«
durchzulesen. Der Fremde spricht mit ungarischem Akzent (sieht
nicht Übel aus).

Dienstag. Beim Brunnen mit Baron Guttmann zusammen getroffen und
während ich mit ihnen spreche Siegfried Trebitsch dazu gekommen.
Ich soll ihn (den Fremden) am Abend treffen. Warum nicht?

9 Uhr Abend. Sein Auto wartete an der Ecke. Ich sollte einsteigen.
Lief nach den ersten 3 Worten davon. Kann nicht. Es war das erste
Mal im Leben, dass ich mich ansprechen liess -

Um 9 Uhr Anruf A. Etwas besseres Gespräch. Um ¼ 7 Maler Klier in
der Ausstellung getroffen. Vielleicht schreibe ich wirklich ein paar
Zeilen über die Ausstellung. Eben 9 Uhr Abend Anruf Baron Guttmann,
will mich morgen Abend mit Gattin zur Spazierfahrt abholen. (Der Frem¬
de grüsst nicht mehr, ich bin froh.)

Geburtstag meiner Mutter, ich bin in Gedanken an ihrem Grab. Befinden
gar nicht gut.

Nachmittag Ausfahrt mit Baron Guttmann und Gattin. Sehr schöne Fahrt
über Hans Heilling, Ellbogen, wo Goethe mit Familie von Lewetzow war.
Und dann über Semmering (erinnert ein wenig an unseren Semmering)
zurück.

Am Abend Arzt bei mir, behauptet weiter, mein Befinden nur Wirkung der
Kur.

10.7. Fühle mich heute etwas wohler. Bin neugierig, wann A. über das
»Nachher« schreiben wird.

Nachmittag Imperial, five o'clock-tea. Wurzerei, auf die ich nicht vor¬
bereitet war. 33 CK. für einen Kakao und Zwieback.