Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 4.–14. Mai 1930


in
diesen Tagen möglichst ausweichen. Ich will keine Szene vor seiner Ab¬
reise. Alles übrige wird sich finden.

Seine Kränklichkeit, seine Nerven, eine Aufregung und Unruhe sind zum
grossen Teil das schlechte Gewissen, das er mir gegenüber hat.

Mit Cari und Magdi bei Strasser zu Mittag gegessen. Eine Einladung zu
A. für Nachmittag zum Tee, lehnte ich höflich ab, indem ich Müdigkeit vor¬
schützte. Ich wollte mit Frieda für Dienstag, Mittwoch in die Wachau, aber sie kann
leider nicht. Was für Tage, was für Nächte und der Himmel ist blau und
der Flieder blüht.

6.5.1930. A.'s Anruf in der Früh, er erwartet O. im Laufe des Vormittags.
Er wünscht gegen Abend zu mir zu kommen, trotzdem ich sagte, er möge sich
durch mich in keiner Weise stören lassen und tun, als ob ich abwesend wäre.
Ton kühl, unbeträchtlich. Diese Tage müssen Klarheit in die Zukunft brin¬
gen.

8.5. A. mit O. und Arnoldo auf den Semmering, wo wir im Vorjahr Tür an
Tür wohnten. Abschied wortlos, ich zitterte vor Aufregung.

10.5. A. ruft vom Semmering aus an. Wozu? Um sich kühle, fremde Worte zu
sagen.

12.5. Ich schrieb ihm einen Brief, der ihn hier erwarten soll. Entweder -
oder. Diese Zeilen sind noch einmal mit meinem ganzen Herzen geschrie¬
ben.

13.5. Harry teilt mir mit, er habe sich mit einer entzückenden Russin,
einem Fräulein v. Günzburg, verlobt. Ich sagte, ich nehme seine Bräute
nicht mehr zur Kenntnis.

14.5. A. mit der O. heute um 1 Uhr angekommen mich erst um 4 Uhr angerufen,
da sie bei ihm gegessen hat. Mein Brief bei Ihm. Was wird er sagen?