Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 5.–18. April 1930


sein mit der O. kränke. Mein Gott, das ist ja gar nicht wahr. Ich sag
ja ohnedies kein Wort. Aber ich kann halt jetzt nicht immer froh
und heiter sein, ich werde mich zwingen. Mein Gott, mir ist ja nur
wichtig, dass er gesund ist. Gegen den Blutdruck kann man, sagt Dr. D.
nichts machen, da er auf arteriosklerotischer Basis ist und allem,
was vielleicht nützen könnte, setzt A. Widerstand entgegen. Sanatorium,
Gastein, Diuretin – auf alles sagt er Nein.

Dr. D. behauptet, ich unterschätze die Gefühle des A. für mich. Ach,
ich kann mich Dr. D. nicht ganz verständlich machen, er ist mir zu
jung und zu fremd.

Mittag Harry, mit dem ich jetzt ganz gut stehe. Dann kurzer Spazier¬
gang mit A., mir ist zum Weinen.

Triste Tage, kühles Regenwetter und doch wird alles grün. Abend
mit Alma, Werfel, Hofrätin Z., A. sehr animiert.

A. in besserer Verfassung, aber Aussehen sehr arg. Kälte, Regen. Ich
behandle A. wie einen Kranken. Er ist launenhaft wie ein kleines Kind,
manchmal Zärtlichkeiten, die aber nicht ganz echt scheinen. Ich komme
oft ganz erschöpft nach Haus. Theater, Kino, Restaurant, ich sehe alles
wie durch einen trüben Nebel.

Ich bin überzeugt, dass ihn die Dispositionen über das Zusammentreffen
mit Heini, Arnoldo, O. enervieren. Ich höre übrigens, dass die O. einen
Flirt oder eine Beziehung zu einem jungen Musiker in Berlin hat.
Desto besser. Heini soll mit seiner Mutter sehr schlecht stehen.

18.4. Finde A. seit 2 Tagen weniger müd und etwas besser aussehend, aber
eher enerviert.

Bei »Dreyfuss« im Volkstheater. Schade, dass der schöne Stoff nicht ei¬
nem Dichter in die Hände kam.

Nachher mit Werfel im Imperial genachtmahlt. A. sehr kühl gegen mich.