Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 30. März – 5. April 1930


cherlich zurückhaltend und ich mache ihm jede Zärtlichkeit schwer. Bin
ich zärtlich, so ist er verkrampft und sagt, wenn man etwas von ihm er¬
wartet kann er es nicht geben. Ich kann nicht mehr weiter. Ich bin
unglücklich und einsam, wenn ich nicht mit ihm bin und zerquält, wenn
wir beisammen sind. Und dabei diese schreckliche Angst, dass das alles
krankhaft bei ihm ist. Ich behandle ihn wie ein Kind oder einen Patienten.

2.4. Gestern Abend A., Dr. D. mit Frau, Carri und Magdi bei mir zum
Nachtmahl. Trauriger Abend. A. fast immer geschlafen. Dr. D. wollte,
dass ich singe. Ich weigerte mich zuerst, da ich seit Jahren keinen
Ton gesungen habe. Dann tat ich es doch. Anni D. begleitete mich.
Alle waren erstaunt über meine Stimme, obwohl ich nichts mehr kann.
A. machte einen Augenblick die Augen auf und sagte, meine Stimme sei
viel schöner geworden. Dann fielen ihm die Augen wieder zu. Ich bin
so traurig.

Gespräch mit Dr. D. über A., der morgen zu ihm kommen soll. Sage ihm
meine Sorgen und dass A.'s Zustand bestimmt durch das bevorstehende
Zusammentreffen mit Arnoldo und Heini beeinträchtigt wird. Ich habe
nichts dagegen, dass die O. her kommt, das ich aber absolut nicht
will, dass er mit ihr irgendwo anders zusammentrifft. Denn wenn er
sich nicht wohl fühlt, so ist er ihr ausgeliefert und ich kann nicht
einmal zu ihm. Er muss das verhindern und überhaupt muss etwas für
A. geschehen. Es muss doch schliesslich die Möglichkeit einer Kur
oder Behandlung geben.

4.4. Heute Abend bei »Wozzek« von Berg. Unerquicklich, wenn auch si¬
cher begabt. Die Musik für mich unverständlich. A. sah so schlecht
aus, dass alle Menschen ihn anstarrten. Er war Nachmittag bei Dr. D.,
morgen werde ich Näheres hören.

5.4. Gespräch mit Dr. D. Sehr hoher Blutdruck, grosse Ruhen nötig. A.
angeblich irritiert, weil er fühlt, dass ich mich über das Zusammen¬