Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 9.–30. März 1930


ein. Ich betrachte sein müdes, verwüstetes Gesicht. Mir ist zum Weinen.
Traurige müde Zärtlichkeit wir halten uns umschlungen.

10.3. Das Wetter wird immer frühlingshafter. Wer sich doch freuen
könnte!

Heini soll hier gastieren. Arnoldo hat geschrieben, dass er seinen
Urlaub im Mai hier verbringen will. A. frägt mich: »Was wirst Du
sagen, wenn die O. in dieser Zeit auch her kommt?« Ich sagte, es
wird mich nicht gerade freuen, aber es ist mir immer noch viel lieber,
als wenn Du sie wo anders triffst,– Bei »Heilige Flamme« in der Jo¬
sefstadt. Spannend aber unerträglich. Gutes Spiel.

15.3. A. bei mir. Ich hatte den neuen blauen Schlafrock an. Er sag¬
te, ich hätte noch nie so gut ausgesehen. Im Radio Walzerkonzert,
er bat mich für ihn zu tanzen – - Salome – - grosse Zärtlichkeit.

16.3. Die kleine Filmschauspielerin Ellis bei ihm zu Tisch. Ein bis¬
chen lächerlich.

Abend ich bei ihm. Sehr zärtlich. Ich half ihm beim Schlafengehen
wie einem kleinen Kind. Zog ihm die Schuhe aus, das Nachthend an.
So, wenn ich ihn bemuttern kann hab ich Ihn am liebsten.

17.3. Ottos Geburtstag. Der liebe Kerl, Gott schütze ihn.
Traf bei ihm in der Kanzlei Hauptmann Freisler nach 20 Jahren.
Wir sahen uns gegenseitig an wie Gespenster. Er erkannte mich
zuerst, aber recht unsicher. Ob ich auch so verändert, so alt bin wie er?
Nachmittag wieder kurzer Spaziergang mit A., der wieder sehr
nervös und verstimmt war. Ich glaube durch einen Brief von Heini.

Erster Akt Corday fertig. Gutes Gefühl. Zweiten Akt begonnen.

30.3. Ich schreibe gar nicht mehr ein. Knospen an den Bäumen – ver¬
frühter Frühling, von dem ich nichts mehr fühle. A. launenhaft, müd,
nervös, quält mich. Bin ich gleichmässig kühl, findet er ich sei lä¬