Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 27.–31. Januar 1930


alles gut.

28.1. Wilmi und Hedwid zum Tee. Um ½8 kaum dass sie fort waren,rief
A. mich an. Ich hatte Mittag meine Ahnung ausgesprochen, dass heute
der projektierte Aderlass gemacht wird, er leugnete, aber gab es jetzt
zu. Er wollte mich nicht beunruhigen, ehe er sich nicht ganz davon er¬
holt hatte. Kam gleich darauf selbst herüber. Lieb und zärtlich, wie
seit vielen, vielen Wochen nicht.

Im Radio Konzertübertragung von Grosz (dem Exliebhaber der O., der sie
nach zwei Monaten sitzen liess). Wir hörten innig umschlungen zu
und lachten über die seltsame Situation. »Wer mir das vor zehn Jahren
prophezeit hätte«, sagte er.

Auf einmal ist die Welt schöner für mich, alles viel leichter.
Heute ein Brief von Roth aus Budapest wegen Dramatisierung meiner
Novelle »Die Tochter des Hauses« für den Schauspieler Beregyi.

In der Stadt Begegnung und Gespräch mit Moissi.

Gestern Abend beim »Kaiser von Amerika«, Josefstädtertheater. Schwaches
Stück, aber doch ein Shaw und glänzend gespielt. Waldau als Kaiser
Magnus bezaubernd wie immer. Nachher »Hahn« genachtmahlt. A. wie¬
der wesentlich kühler trotz meiner Herzlichkeit.

31.1. Gestern Abend bei der letzten Aufführung der »Sommerlüfte«.
Elisabeth Bergner im Theater. A. holt sie in unsere Loge, geht im
Zwischenakt mit ihr auf die Bühne, ich bleibe allein. Publikum sehr bei¬
fallslustig. Nachher A. und ich im Imperial. Ich hatte eigentlich
auf ein Zusammensein mit der Bergner gehofft, die mich interessiert.
A. freundlich kühl zu mir, frägt wiederholt, warum ich ihn immer so
forschend ansehe. Ich weiss gar nicht, dass ich das tue.

Vormittag in der Stadt, jetzt allein. Ich bin erkältet. A. abend al¬
lein zuhause.