Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 23.–27. Januar 1930


Wenn er Liebe für mich empfände liesse er mich nach dem gestrigen
Abend allein? Um 8 Uhr Abend rief er mich nochmals an. Er arbeitet
am »Zug der Schatten«. Ich kann nicht arbeiten.

24.1. Den ganzen Tag allein, nur um die Mittagszeit ein wenig in die
Kälte hinaus. Anruf Friedas, sie bedauert mich, aber ich fühle, dass sie
nicht aufrichtig zu mir ist. Es ist kein Zweifel, dass sie mit A. über
seine Beziehung zu mir spricht. Sie stellt es etwa so dar, er ist gleich¬
giltig gegen alles geworden, ist am liebsten allein, möchte aber gleich¬
zeitig, dass ich nicht leide.

Ich kann nicht, ich kann [n]icht kann, nicht. Heute soll ich mit ihm ins
Kino. Sage ich Nein, – wird eine Szene daraus, gehe ich wirds eine Qual.
Dr. Dr. telefonisch gesprochen. Er findet A.'s Befinden sehr gut. Er
kommt morgen zu mir. Abend Tonfilm »Atlantis«. Qualvoller, aufregender
Film. Mir stürzten die Tränen aus den Augen. A. hält meine Hand,
sanft, fast zärtlich. Auf der Heimfahrt küsst er mich. Ich frage -
warum? wenn Du mich nicht liebst? Er: »Das habe ich nie gesagt.
Du verstehst mich nicht – ich bin seelisch krank«. -Nein, das versteh
ich wirklich nicht.

26.1. Nachmittag Dr. D. bei mir. Findet A. in keiner schlechten Ver¬
fassung, nur Blutdruck sehr gesteigert. Er hat die Ueberzeugung, dass
A. mich liebt und braucht und dass seine Stimmungen krankhaft sind. Ich
soll Geduld haben.

Dann bei A., ganz unpersönliche Gespräche. Grosser Bernhardierfolg in
Berlin etc. Nach dem Nachtmahl Klawierspiel, dann wieder Konversationen
ganz belangloser Art. Ich bin äusserlich sehr freundlich, innerlich
zerquält.

27.1. Abend im Kino (Weisser Flieder). Nachher wieder Weingartel-Restau¬
rant genachtmahlt. Zunehmende Zärtlichkeit. Vielleicht wird doch noch