Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 30. Dezember 1929

Berlin, Hotel Esplanade,

30.12.1929.

Mein Liebes, ich weihe mein Stehpult mit diesem Brief ein (ermiss
daraus wieviel ich schon gearbeitet habe) und schicke Dir vor allem
viele innige Sylvester-und Neujahrsgrüsse. Von hier gibt es begreif¬
licherweise noch nichts zu erzählen. Den Samstag habe ich Dir schon
telefonisch berichtet; der gestrige Sonntag brachte einen Mittags¬
spaziergang mit Dora bei trübem Nebelwetter und auf feuchten Wegen;
Mittagessen bei O. mit Arnoldo und Paul Marx. Nachmittag im Hotel
verbracht bei mässigem Befinden. Hauptmanns Roman zu lesen begonnen.
Abends bei Michaelis, wo O., Heini, Arnoldo, Ruth, Lusy v. Jacoby, Fischers
(die heute nach St. Moritz fahren). F. erkundigt sich bei mir nach
Maril und fand selbst, dass es ihm an Elan fehlt. – Gramophon.–Vor¬
mittag hatte ich im Hotel (zufällig) Beer gesprochen (knapp vor seiner
Abreise), aber eben hatte er gute Nachrichten über den Besuch der
»Sommerlüfte« erhalten. Ein anderes Theater hat sich bisher nicht
gemeldet. – Heute noch hoff ich Klein zu sprechen; jetzt begebe ich
mich zu Feilchenfeld in die Bank; das Wetter ist beinahe frühlingshaft
und ich will ein bischen durch die Strassen bummeln. Heute Mittag war
ich mit Viki, Mimi, Arnoldo bei O.; Heini hat Proben, für die morgige
Boxer-Première. – Von Bernhardi ist so wenig mehr die Rede als von
Fräulein Else.

Am Donnerstag (2.1.) zwischen 8 und 9 telefonier ich wieder, hoffe
aber vorher noch manches liebe Wort von Dir zu lesen. Lass es mich
nicht entgelten, dass ich so wenig zum Briefschreiben tauge. Ich um-
arme Dich in stummer Zärtlichkeit. Dein A.