Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 12. September 1929

Telegramm

Marienbad 12.9.1929.

nach Wien, Hochschulstrasse.

So empfängt dich dieser Willkommgruss hoffentlich schon daheim.

Bitte hieher schreiben.

Arthur.

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Marienbad, 17.9.1929.

Mein Liebes, zu erzählen ist – glücklicherweise – nicht viel. So ruhi¬
ge Tage verlebt man selten. Meine Karte hast Du erhalten. Du weisst,
dass ich Samstag nach Forstwarte, Sonntag nach Rübezahl, Montag zum
Egerländer gewandert bin und so die Marienbader Wälder nach allen
Richtungen, wenn auch nicht auf allen Wegen durchstreift habe. Es
wäre ganz meine Landschaft, wenn es ein bisschen mehr Wasser gäbe. Die
Quellen dienen alle nur der Gesundheit und nicht der Schönheit.–Wunder¬
bar die Wälder, die Wiesen, die Ausblicke; das weithin gedehnte und an¬
mutige. Beruhigend das ringsherum cultivirte; sympathisch die Atmos¬
phäre des Ortes in menschlicher Hinsicht; – nirgends spürt man die
kropferte Feindseligkeit und Halbiodite der gewissen österreichischen
und steiernärkischen Landbevölkerung; – das seewirth-unwirthliche-¬
pogrombereite, wie in unsern – doch eigentlich köstlichen Gegenden.-
Wirkliche Gastfreundlichkeit – wenn auch auf ihren Vortheil bedacht
ist hier überall im grössten wie im kleinsten Laden (nur in einem
Reisebureau fand ich einen schlechten Ton).

Das Hotel mehr angenehm und vortrefflich gelegen. Der Besitzer, jetzt
nicht anwesend, liess mich um ein Buch mit Widmung bitten, erkundigte
sich beim Direktor nach meiner Zufriedenheit und nach meinen Wünschen-
bestand darauf, mir den Preis des Zimmer auf die Hälfte herabzusetzen
und gestern trug man mir zum Ueberfluss noch die sog. »Königszimmer«
zum arbeiten (ohne Verpflichtung dazu) an. Den Nachmittag war
ich meist etwas müd und habe nur gelesen. Gegen Abend in den Kolonna¬
den, wo ich Richard und Paula treffe. – Gestern mit ihnen im Kino, wie
auch schon Samstag; – »Nju« wieder gesehen – von der Elisabeth