Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 14. September 1929

Wien, 14.9.1929.

An A.S., Marienbad.

Mein Liebes,

bisher ist nur eine Karte von Dir eingetroffen und
wenn Du nicht express geschrieben hast, kriege ich vor Montag keinen
Brief. Darum schreibe auch ich Dir heute wieder, sonst hast Du vor
Dienstag keine Nachricht. Ich habe Deiner Karte mühsam entnommen, dass
Du es in M. besonders schön findest. Ich habe, wie Du weisst, eine
grosse Vorliebe für diesen Ort, vielmehr für diese Gegend, die doch
eigentlich die Landschaft ist, die wir Beide lieben und brauchen. Im
Mai, Juni und September, ohne die allzu vielen grauslichen Menschen, mit
ein bischen Kurgebrauch sicher ein idealer Aufenthalt für uns. Auch
das Essen ist fast überall ausgezeichnet, bei Ott, Egerländer in der
Stadt, und für einfaches kaltes Nachtmahl bei Hammerschmied oder so
ähnlich. Das erste Frühstück gehört ja zu den Spezialitäten von M.
und das Gebäck ist noch viel besser und abwechslungsreicher als in der
Schweiz. Aber ich verfalle in den Fehler Deiner Schwester und erzähle
Dir, wie es dort ist, das wirst Du schon selber merken. Ich möchte nur,
dass du es für nächstens für uns Beide in Betracht ziehst.

Heute Vormittag war ich auf einen Sprung bei Minna,
brachte ihr die Taschentücher und hörte, dass sie eine Karte von
Dir hat. Sie fand mich glänzend aussehend, »direkt schön«, sagte sie.
Umso besser! Sie wird jedesfalls schon am 17. fertig mit dem Reinema¬
chen, nur das Telefon macht ihr Sorgen. Bitte rechne nicht damit, dass
der zweite Apparat bei Deiner Ankunft schon angeschlossen sein wird,
obwohl wir Krawall machen werden. Vielleicht nützt es, aber jedesfalls
ärgere Dich nicht gleich, wenn das noch nicht in Ordnung sein sollte.
Von dort war ich in der Wohnung meiner Kinder, die sehr lieb ist, ich
lernte Frau Bleier-Grohmann, die Hausfrau kennen, Offizierswitwe und
Schriftstellerin, sehr gut aussehende alte Dame, aber zu gesprächig und