Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 13. September 1929

An A.S. Marienbad, Hotel Weimar.

Wien, 13.9.1929.

Mein Liebstes,

es war so hübsch und so beruhigend Deinen Gruss hier
vorzufinden, als ich um ½11 Uhr etwas taumelig vor Müdigkeit ankam
und ich danke Dir sehr dafür. Die Fahrt schien mir endlos, der Schmutz
in dem von Paris kommenden und nach Bukarest gehenden Waggon war bei¬
spiellos und eine in meinem Coupé sitzende, sehr mindere Engländerin
sagte, sie hätte so ein "Compartiment" noch nicht gesehen. Später stieg
noch eine andere, sehr nette deutsche junge Dame ein (ich schätze sehr
gute jüdische Familie), mit der ich ein wenig sprach und in Wels ein
recht gut aussehender Herr. Ich war so hin, dass mir immer die Augen
zufielen, ohne schlafen zu können. Mit Träger, Koffer, Taxi hatte ich
natürlich das heimatliche Gfrett. Aber schliesslich war ich doch um
½11 daheim, fand meine Wohnung in schönster Ordnung, alles nach meiner
Vorschrift gereinigt, blendend sauber und in allen Vasen Blumen von
Hausfrau und Gärtner, der sich offenbar bei mir einschmeicheln will.
Ich stürzte mich gleich auf Dein Telegramm, mit dem ich mich riesig
freute. Schlaf trotz dieser grossen Müdigkeit (ja vielleicht deswegen)
und Schlafmittel recht elend, und um 7 Uhr ganz vergnügt erwacht.

Der eine hässliche Tag ist auf etwas ganz Winziges und
Unwesentliches zusammengeschmolzen und es bleibt nur die Erinnerung
an diese wunderschöne, sonnige Zeit. Hoffentlich geht es Dir auch so
und Du sehnst Dich auch da fortzusetzen, wo wir aufgehört haben und
zusammen sehr jung und froh zu sein.

Ich wünschte, dass Du Dich nach der ermüdenden Herumfahrerei
die paar Tage recht ausruhst und Dich nicht zu sehr alterierst. Minna
habe ich bereits telefoniert, dass Du am 18. kommen dürftest, dass sie
aber jedesfalls am 17. fertig sein soll, was ihr, wie sie mir sagte, sehr
leicht möglich ist, nur bis zum 12. hätte sie nicht gut so weit sein
können. Mit der Postnachsendung wartet sie auf Deine oder meine Ver¬