Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 12. September 1929

C.P. an A.S.

Grand Hotel, Nürnberg,12.9.1929.

(In Arthurs Zimmer gelegt).

Mein liebes Kind.

Nur um das was sich hier zwischen uns abspielt festzu¬
legen, schreibe ich diese Zeilen.

Meine Verstimmung, unterstützt durch eine wahnsinnige
Migräne am vorgestrigen Abend, war durchaus begreiflich.

Dein Besuch bei der O. in diesem Augenblick ist be¬
stimmt zu verstehen, ja geradezu eine Pflicht. Aber ebenso dass mich
dieser Ausklang einer gemeinsamen Reise irritieren musste und aus
mehr als einem Grund. Meine Stimmung wäre mit ein paar freundlichen und
herzlichen Worten, deren Du ja in den letzten Wochen so viele, fast über¬
triebene gefunden hast, zu verscheuchen gewesen.–Du hast sie nicht
gefunden, obwohl ich diese ganze lange gestrige Reise darauf gewartet habe. Und
jetzt begründest Du Dein Verhalten mit der »jahrelangen Qual«, die Du
ertragen hast. Vor kurzem erst erklärtest Du mir, dass Du mich jetzt so
liebst, weil Du immer mehr auf meine inneren und äusseren Vorzüge kommst
jetzt weiss ich was ich von solchen Worten und von dieser Liebe zu
halten habe.

In meiner gestrigen Verstimmung liegt oder lag noch immer
mehr Liebe als in all Deinem Ueberschwang.–Ich hätte eben nach diesen
nahezu 7 Jahren einer Gemeinsamkeit, die von mir viel Nachsicht und Ein¬
sicht in mehr als einer Richtung gefordert hat, das Recht, mich als Deine
illegitime Frau und Gefährtin betrachten zu dürfen und verdiente auch
ein wenig als solche betrachtet zu werden.

Wie viele Launen erträgt man von Frauen. Mir aber wird
eine für alle Menschen ausser Dir begreifliche Verstimmung als Verbre¬
chen angerechnet. Ich habe nichts mehr hinzuzufügen. – Glückliche Reise
und alles Gute!

Deine Clara Katharina.