Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 12.–15. September 1929


zu sein scheint. Aber wie schön wäre ein anderer Abschluss dieser Reise
gewesen. Und ich hatte mich so gefreut, dass A. erholt und heiter war wie
noch nie. Ich sitze in meinem Zimmer und muss weinen. In zwei Stunden
trennen wir uns.

Wilde Auseinandersetzung, die unvermeidlich war. Ich schreibe A. schliess¬
lich ein paar Zeilen, um mein und sein Verhalten festzulegen. Ich schrei¬
be: »In meiner Verstimmung, die jeder Mensch verstehen müsste, lag noch
immer mehr Liebe als in Deinem Ueberschwang« etc.

Und plötzlich sah er ein. Er brachte mir Rosen; sagte: dass die ver¬
gangenen Wochen die schönsten seines Lebens gewesen sind und dass er mir
dafür dankt. Und dann war alles wieder gut.

13.9. Wien. Gestrige Reise sehr ermüdend. Kam um 11 halbtot hier an.
Diese 3 Reisetage waren erschöpfend. Liebes Telegramm von A. vorgefun¬
den, der schon um ½3 an Ort und Stelle war. Wohnung sehr sauber
angetroffen, alle Vasen voll Blumen.

14.9. Gestern nur Ordnung gemacht, niemand gesehen. Heute Vormittag
zu Minna hinüber, die mich glänzend aussehend findet. Dann in die neue
Wohnung von Carry und Magdi, um Reinigung etc. zu veranlassen, während sie
in Riccione sind. Nach Tisch zweiten Brief an A. geschrieben. Jetzt
sollen Otto und Emma kommen. Von A. eine Karte. Morgen wohl ein Brief.

Sonntag. 15.9. Merkwürdigerweise kein Brief. Bin beunruhigt. Sonst schö¬
ner Tag. Anna zu Tisch. Recht gemütliches Zusammenbleiben. Später Frieda.
Mit ihr zu Fuss nach Pötzleinsdorf zu Strasser. Dort genachtmahlt. Viel
über A. und O., über ihren Aufenthalt in Aussee, Jakob W., Prof. Schinne¬
rer gesprochen. Sie ist sehr klug.

Gestriger Abend mit Otto und Enmy sehr nett. Auch Wolfi war einen Augen¬
blick da. Entzückender Bub, aber viel zu selbständig und frei erzogen.