Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 3.–8. September 1929


durch.

5.9. Beim gemeinsamen Frühstück in meinem Zimmer Gespräch über O. Jetzt
dürfte auf einen Brief des Arztes hin A. nach Berlin fahren und O. erst
später reisen. Wie kann man so unschlüssig sein. Es enerviert ihn und
mich. Besichtigung von Chillon mit Schinnerer und A. Mittag Champagner,
ich einen recht tüchtigen Schwips. Die Herren amüsieren sich, sogar die
Kellner lachen mit, obwohl ich mich dabei durchaus gut benehme, nur etwas
lustiger bin als sonst. A. sehr lieb, macht mir unausgesetzt Komplimente.
Nach Tisch bis gegen 6 Uhr geschlafen. Abend Bummel in die Stadt.

6.9. Vorm. wundervolles Bad in Montreux Plage mit A. und Schinnerer.
Ich sehe in meinem schwarzen Jansentrikot sehr gut aus, behauptet A.
Hermine Paula Nachm. eingetroffen. Komisches Gespann.

7.9. Abfahrt Porges. Telegramm von Carry auf eine besorgte Anfrage.
Alles in Ordnung. Ich hatte 9 Tage keinen Brief. Schinnerer auf einem
Ausflug nach Genf.

Brief (Express natürlich) von der O. Neuer Reiseplan. »Bühlerhöhe«.
A. telegraphiert, dass er sie in Stuttgart erwarten will. Ist es nicht
lächerlich, dass man fort[g]esetzt auf die Dispositionen dieser Dame wartet.
Leichte Gereiztheit auf beiden Seiten. Stiller Abendspaziergang.

8.9. Bedeckter Himmel. Kühleres Wetter. Gut geschlafen. A. zuerst wei¬
ter verstimmt, dann übertrieben zärtlich. Ich bin schon etwas müde.
99% seiner Liebe »s.« aber auch das ist schön.

Wir sehen eine Weile beim Tennisspielen zu, dann lasse ich A. mit Schin¬
nerer allein spazieren gehen, weil ich an meinem Stück arbeiten will.
Manchesmal nervöser Widerstand in mir gegen diese übertriebene Zärt¬
lichkeit die fast etwas Ungesundes hat.

Spaziergang mit S. und A. gegen Montreux, wundervolle Abendlandschaft,