Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 31. August – 3. September 1929

Wundervoller Morgen. Lange Gespräche über Tod, Alter, Nachlass. Schöne
Gespräche, wenn auch traurig. Dann grosse Zärtlichkeit. A. sagt Worte,
die er früher nie gefunden. Es erschüttert mich.

1.9. Fühle mich physisch nicht sehr wohl und seelisch ermüdet. Angst
vor dem Ausklang der Reise. In der Früh wilde Zärtlichkeiten. Er sagt:
»Ich habe Dich so besonders lieb.« Wie oft habe ich auf solche Worte
warten müssen. Jetzt ist das alles da und doch dieses Zusammentreffen
mit der O.

Kurzer Spaziergang, Gespräch über »Zug der Schatten«. Dann Begegnung
mit Dr. Wolff.

Nachm. etwas an meinem Stück gearbeitet. Stiller Abend, aber sehr schön.

2.9. Jetzt packen wir. A. kommt immer zu mir herein und küsst mich.

3.9. Territet. Grand Hotel. Vorm. Montreux Plage angesehen, dann nach
Montreux Stadt Besorgungen machen.

Brief von O. Reise nach Meran zu anstrengend. Sie will auf den Semmering
kommen – - Semmering bedeutet Wien. Ein ewiges Hin und Her auf Wochen
hinaus.

A. sehr zärtlich zu mir. Kurzes Gewitter, das etwas abkühlt. »Spiel der
Sommerlüfte« in Korrekturbogen gelesen. Wundervoll, wenn ich auch nicht
an die grosse Bühnenwirkung glaube. A. jede Nacht bei mir.

Autoausflug nach Genf. Aufenthalt in Ferney beim Schloss Voltaires.
Man fühlt seine Atmosphäre. In Genf von einem allzu rasch getrun¬
kenen Glas Wermuth einen kleinen Schwips. Mittagessen im Restaurant
du Nord. (nicht sehr gut). Wundervolle Heimfahrt über Evian. Ich ziem¬
liche Schmerzen in der Galle, trotzdem in schönster zärtlichster Stimmung.
Am Abend Schinnerer angekommen. Gemeinsames sehr gemütliches Abendessen.
Anruf aus Zürich. Hermine und Paula kommen übermorgen per Auto hier