Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 15.–21. Juni 1929

15.6.1929. Mittag Harry, Mädi, Cary, Magdi zu Tisch. Herry empörend, sein
Ton gegen die Braut grotesk, gegen Magda ungezogen. Magdi sitzt starr
mit weitaufgerissenen Augen, bereit zu weinen.

Diese Verlobung macht mir keine Freude, es ist gut, dass wir Übermor¬
gen auf den Semmering fahren.

Abend fader Film "Parade", dann im Prater genachtmahlt. A. sehr lieb.

Ich habe leider Zahnschmerzen.

16.6. Vorm. bei A. Nachm. eingepackt. Abend mit A., Frieda und Bruder
bei »Komödie der Worte« mit Bassermann, in einer Loge. Herrliches Stück,
herrliche Besetzung, wirklich grosses Vergnügen! In der Loge nebenan
Bürgermeister Seitz, der A. abfing, um ihm Liebenswürdigkeiten zu sagen.
Nachher bei Prohaska im Prater genachtmahlt. Sehr gemütlich trotz mei-
ner Zahnschmerzen

17.6. Musste mir den Zahn reissen lassen. Recht unangenehm. Fühle mich
gar nicht wohl. Nachm. Frieda. Einen Brief an die Neue fr. Presse Dr.
Wertheimer diktiert wegen der Verstümmelung meiner Novelle. Frieda
sagt mir, A. habe noch nie in so liebevollen und begeisterten Worten
von mir gesprochen als jetzt. Er komme immer mehr auf meine guten Eigen¬
schaften u.s.w. Ich bin sehr froh.

Am Abend mit A. noch am Cobenzl genachtmahlt. Bin merkwürdig müde.
Fertig gepackt. Morgen Früh!

21.6. Semmering. Seit ich hier bin liege ich krank zu Bett. Einige
Stunden nach Ankunft Fieberschauer, dann durch 2 Tage und Nächte um
39 herum. Heute endlich fieberfrei. A. ist rührend zu mir. Dr. Ender
zweimal im Tag. Schwere Angina mit argen Schmerzen. Schad um das schöne
Wetter und all die verlorenen Stunden. Was kann man tun als Geduld
haben. Mir war all die Tage zu elend, um zu schreiben.

Nachm. Fieber wieder gestiegen. Ich habe ein höchst unbehagliches Ge¬
fühl. A. ist so lieb und herzig. Jeden Augenblick bringt er was anderes
angeschleppt. Blumen, Früchte, Cognac, Bonbons. Ich bin froh, dass er Ge¬