Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 8. Juni 1929 – 14. Juni 1926


da Frau T. mir telefonierte, er benehme sich elend gegen Mädi. Ich ver¬
mute Lola dahinter, (früheres Verhältnis.)

9.6. Fühle mich so wohl wie schon lange nicht, fast etwas übermütig.
Als ob das Fieber alle bösen Bazillen mit fort genommen hätte. Sommer¬
wetter. A. holt mich um ¼ 12 zum Spazierenfahren.

11.6. Gestern und heute Abend Kino mit A., der sehr lieb ist. Unangenehme
Debatten mit Harry. Jetzt, da es ernst werden soll, behauptet er, er habe
Angst vor der Ehe.

12.6. Harry ruft jede Stunde an – er weiss nicht was er tun soll. Ich
sage ihm immer wieder, dass er bei einem solchen Mangel an Begeisterung
es nicht tun darf. Er möchte, dass ich ihm zurede, damit er mir nachher
Vorwürfe machen kann oder behaupten, er habe es mir zulieb getan.
½6. Harry teilt mir mit, er habe sich eben verlobt, um ½ 7 kommen sie zu
mir.

13.6. Gestern Abend mit A. bei »Katharina Knie« mit Bassermann. B. herr¬
lich. War sehr erschüttert.

Vorm. Besuch von Baron Melingo, habe ihn gebeten Harry vor schädlichen
Einflüssen zu schützen und vor Lola.

14.6. Gestern Abend Verlobungsessen in einem Separée des Hotel Krantz.
Uebertrieben chick und elegant, Abendkleider und Smoking. Nach einer
halben Stunde trug man mir das Du an.

Heute Vorm. Stadt. Nachm. Alma Mahler. Anregend wie immer, aber mit Vor¬
sicht zu gebrauchen. Schimpferei über die O., wie gewöhnlich. Versteht
nicht, dass ich A. nicht heirate. Ich sage ihr, daß mir der Gedanke un¬
erträglich wäre. Sie lässt durchblicken, dass Sie Werfel heiraten möchte
(sie sagt, nur wegen der 12jährigen Tochter, die sie im Haus hat).

Am Abend im Kino und bei der »Linde« genachtmahlt. A. sehr liebevoll.