Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 31. Mai 1929 – 8. Juni 1926


Auch ein Ausspringen, wenn ich es zusammen brächte, würde er jetzt nicht
ertragen.

Heute Abend wieder Kino dann »Linde« genachtmahlt. Wetter trüb, reg¬
nerisch, kühl. Stimmung mittelmässig. Dr. D. sagt mir telefonisch, dass er
jetzt sicher ist, dass A.’s Erkrankung rein nervös war.

1.6. A. war Vor- und Nachmittag ein Stündchen bei mir. Nachmittag beson¬
ders zärtlich. Ich verhätschle ihn wie ein kleines Kind. Eine Weile
sassen wir ganz still, seinen Kopf an meine Brust geschmiegt. Ich
dachte, was für ein armes, altes, trauriges Männchen und ich hatte ihn
unendlich lieb. Ich habe jetzt oft Empfindungen einer Tochter und Mutter
gleichzeitg für ihn.

2.6. Sonntag. Vormittag grosser Autoausflug. Breitenfurt, Hochrother Kal¬
tenleutgeben. Herrliche Landschaft, saftgrüne Wiesen, blauer Himmel. Ueber
der Sonne ein leichter Schleier wie über unserer Stimmung. A. nach
dem Mittagessen (Weide in St. Veit) leichtes Unbehagen. 4 Uhr zuhause.
Gefaulenzt. Abend bei ihm. Ruhig, gemütlich.

3.6. Vorm. Stadt, Mittag Cari, Magda, Fredi (alle sehr heiter). Nachm.
Hofrätin Z. zum Thee. Anregende Konversation. Abend mit A. Kino (In¬
sel der Liebe). Furchtbarer Schmarrn. Dann »Linde« genachtmahlt. Lauere
Stimmung. Wetter kühl, regnerisch.

4.6. Fühle mich elend, müd, zerschlagen. Wetter meist kühl.

6.6. Mittag Bei Wellesz Kaasgraben (schon gefiebert). Sollte Abends ins
Theater, musste verzichten. A. bei mir. Wir haben uns sehr lieb.

7.6. 38.6 Temperatur. Husten. Cary als Arzt bei mir. A. 2Mal täglich,
sehr lieb und zärtlich mit mir.

8.6. Befinden gebessert. 37.8 Tempt. Arger Husten. A. Abend bei mir.
Radiokonzert und bessere Stimmung. Mittag mit Harry furchtbarer Krach.