Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 26.–31. Mai 1929

Ich finde den Gedanken des Stückes (Ehrenrettung durch Duell) wunder¬
voll und auch den 2. Akt besonders gut. Aber die Besetzung, vor allem
die Naive unerträglich. (Von meiner Fortreise nicht mehr die Rede.)
Wundervoller Sommertag. Viel im Garten. A. am Nachmittag eine Stunde hier
bei mir am Divan gelegen, sieht elend aus, klagt über sein Befinden und
scheint irritiert. (Ueber die O.) Gegen mich liebevoll und zärtlich, aber
wie ein kleines verhätscheltes Kind.

29.5. Zwei Tage A. nicht gesehen. Habe unausgesetzt Besuch angesetzt um ihn an
dem lächerlichen Hin und Her-Pendeln zwischen O. und mir zu hindern. Gestern Vormittag
Stadt. Nachmittag Emmy Tolnay, Lotte Menasse. Beide begeistert von meiner
Wohnung. Jause auf meiner Terrasse. Heute Mittag Cari und Magdi (Magdi
sehr herzig). Um ½ 5 Mädi T., die ich einmal allein sprechen wollte, spä¬
ter Harry. Wenn sie nicht Komödie gespielt hat ist sie ein
recht kluges vernünftiges Mädel. Später Delitz. Er brachte mir einen
schönen Holzschnitt und war sehr nett. Vielleicht bessert er einmal
mein Porträt aus.

A. heute am Telefon ganz grundlos heftig, was ihm später von selbst leid
tat. Was ist sein Wesen? Was ist krankhaft? Arnoldo heute fort, die O.
erst morgen.

30.5. A. telefonisch eben gesprochen. Die O. fort. Gott gebe uns jetzt
eine bessere Zeit.

31.5. Gestern Abend mässiger Film. Amerikanischer Kitsch »Die letzte
Warnung«. Dann bei Neugröschl genachtmahlt. Jüdisches Beisel. Stimmung
nicht schlecht.

Eben Frieda gesprochen. A. soll zu ihr gesagt haben, dass die Einsicht
von der O. und mir, die wir gegen ihn haben, schon sehr »letzter Akt voll
ist«, so als ob man in ihn schon einen sehr Kranken sehe. Nein, für
krank halte ich ihn nicht, aber für gefährdet. Da heisst es schweigen.