Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 19.–23. Mai 1929

Vormittag zu Cary und Magdi und bei ihnen zu Tisch. Gemütlich und heiter.
Nachmittag Anna und Emmy Erlanger. Abend A. bei mir, trotzdem das Mädchen
Ausgang hatte. Worterraten gespielt. Ich finde, er sieht besser aus. Wet¬
ter andauernd kühl und regnerisch.

Pfingstmontag 20.5. Vormittag mit A. Spaziergang. Er geht viel besser
und auch seine Stimmung hellt sich auf. Wir waren in der Gärtnerei in
der Peter Jordanstrasse oben, herrliche Tulpen mitgebracht. Wetter wie
Anfang März.

Nachmittag Besuch von Paula und Hermine.

21.5. Gestern Abend bei A. Zeitweise grosse Traurigkeit und Gespräche
um Lili. Dieser Schmerz fällt ihn manchmal wie eine Krankheit an. Ich
sitze bei ihm und streichle ihn.

Heute Vormittag Stadt trotz Regen. Nachmittag Anruf von A., er hat Brief
von Arnoldo, ob er, da A. nicht an den Wörthersee kommt, den kurzen Urlaub,
den er hat, nicht hier bei ihm verbringen darf. Er hat ihm telegraphisch
geantwortet, er sei ihm immer willkommen.

Kommt Arnoldo, so kommt wohl auch die O. Ach, wenn es mit diesen paar Tagen
für einige Monate abgetan wäre, wollte ich nichts sagen, aber wer weiss,
wie lang sie bleibt und ob sie mit Heini im Juli nicht wieder herkommt.
Das hielten meine Nerven nicht mehr aus.

22.5. Heute Abend mit A. bei »Monsieur Lamberthin« mit Basser[m]ann. Arnol¬
do kommt morgen.

23.5. Arnoldo kommt heute Abend und morgen die O. Als er es mir am Tele¬
for mitteilte, – er hatte vorher mit Berlin gesprochen – sagte ich: »Viel¬
leicht ist es gut, dass sie kommt – vielleicht wird es eine Entspannung
für Deine Nerven sein.« Er schien sehr gerührt von meiner Einsicht (aber
wie mir innerlich zumute ist).

Am Nachmittag brachte er mir Blumen. Am Abend kommen er, Otto, Emmy und der
Hofrat Pollak (Bruder von Frieda) zum Nachtmahl. Dann um ¼ 11 ge[ht]