Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 12.–16. Mai 1929


folgt nicht ganz seinem Willen. Ich begleite ihn nachhause, bin dann
selbst ganz erschöpft psychisch und physisch. Liege bei meiner Heimkehr
bis ½6 am Divan. Am Abend wieder bei ihm. Auch Frieda mit ihrem Bruder.
Stimmung sehr ungleich. Manchmal plötzliche Heiterkeit. So z.B. als ich
erzählte, dass mir einmal ein Schwimmmeister zu einem grossen Oelbild
Akt gestanden hat und meine alte Mademoiselle als Garde dabei sass.

13.5. Heute Vormittag in der Stadt beim Friseur und auf der Suche nach
einem Geburtstagsgeschenk für A. Dann ganz kurz bei ihm. Bessere Verfas¬
zung. Machte mir Komplimente über mein Aussehen (unbegreiflich) und
frug, ob man mich nicht in der Stadt viel angestarrt hat etc.
Zu Tisch Cari und Magda. Cari brachte mir Maiglöckchen, er ist sehr lieb
und sie sehr herzig.

Am Abend Dr. Donath und Gattin bei A. getroffen, dann allein hei ihm. Er
sehr lieb zu mir.

14.5. Dreimal im Tag bei ihm. Stimmung schwankend, grössere Beweglichkeit.
Gestern Abend zeitweise grosse Traurigkeit, heute besser. Nach Tisch im
Garten bei ihm. Später Besuch Helene Schnitzler mit Schwiegertochter und
Enkel, herziger, hellblonder Bub. A. spielte mit ihm, nahm ihn auf den Arm.
Nichts von Ataxie oder Parese zu merken. Am Abend wieder bei ihm. Von
der Reise oder O. wird kein Wort gesprochen.

15.5. Sein Geburtstag. In der Früh telefonisch grosse Düsterkeit, sehr
nervös. Bei späterem Anruf von seiner Seite sichtliche Entspannung. Ver¬
mute Gespräch mit Berlin. Ich weiss noch immer nicht, ob wir einen Aus¬
flug heute machen oder ob er Mittag bei mir ist. Ich habe mich für alle
Fälle vorbereitet. Ich komme zu keinerlei Arbeit, zu keinem selbständigen
Gedanken mehr.

16.5. Der gestrige Tag gut verlaufen. In Mödling bei Hajek Mittagmahl,
ein wenig herumgegangen und mit Appetit gegessen. Heimfahrt bei Regen, aber
nicht ungemütlich. Abend wieder bei ihm. Berliner Gespräch, wie ich ver¬