Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 28. März – 1. April 1929

28.3. A. Vormittag bei mir. Es steht nicht gut mit uns. Ich soll am Abend
hinüber, aber ich fürchte mich fast. Entweder man wurstelt weiter bis zur
nächsten Verstimmung oder man geht auseinander. Ich fühle ihn in eine
mir fremde, feindliche Atmosphäre gerückt. Ich gebe gerne zu, dass er sehr
lieb und freundlich sofort zu mir kam, aber da ich ihm nicht strahlend um
den Hals fiel, sofort Verkrampfung und Kühle. Ich fürchte mich vor Abend.

Nacht. Nach anfänglichem bösen Schweigen sanfte Verständigung und schliess¬
lich grosse Zärtlichkeit. Ich sagte: »Alles wäre anders, wenn die O. einen
Mann oder einen Liebhaber fände.« Er: »Ich wünschte aus mehr als einem
Grund nichts so sehr, als dass sie noch jemand findet. Aber das hat nicht
das Geringste mit unserer Beziehung zu tun. Ich habe keiner einzigen Frau
jemals mehr Liebe gegeben als dir und in erotischer Beziehung hat mir die
O. nicht annähernd das bedeutet, was du mir bist. Ich stehe heute
freundschaftlich nicht schlecht mit ihr, weil sie mir immer ferner wird.«
etc.

Ich glaube das alles, wenn er da ist, aber wenn er bei ihr ist oder richtiger
in ihrer Nähe, dann empfinde ich es eben anders. – Kühles, grausliches
Osterwetter. Nachmittag kleiner Spaziergang mit A., tiefe Traurigkeit wegen
Lili.

Karsamstag. Schöner Rosenstock von A. Bummel in der Stadt mit Magdi, Harry
und Fredi. Auch zu Tisch.

Ostersonntag. Heute Vormittag Spaziergang mit A., dann zu Tisch bei ihm.
Zunehmendes Vertrauen und Zärtlichkeit.

Nachmittag zuhause, Abend wieder bei ihm. Wir hatten uns sehr lieb. Habe
seit einigen Tagen starke Schmerzen im Nacken und in der rechten Schulter,
offenbar Rheumatismus. Es ist wieder kalt und stürmisch. Dabei heute Abend
um 9 Uhr, als ich noch bei ihm war, Blitz, Donner und wolkenbruchartiger Regen
Ostermontag. 1. April. A., Cary, Magda, Harry zu Tisch bei mir.