Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 12.–16. Februar 1929

12.2. Der kälteste Winter seit 150 Jahren, melden die Zeitungen. Gefahr
der Wasserabsperrung. 18 Grad Reaumur am Fenster. Heute Schnee und
Wind, daher unerträglicher als gestern. Vormittag bei Harry, der die
Grippe hat. Heutey fieberfrei, Gottseidank. Lola, die ihn pflegt, unsicht¬
bar. Er hat mir seine Skihandschuhe geliehen und ich habe sie noch
über meine gefütterten gezogen.

Nachmittag A. einen Sprung bei mir. Ich habe ihm das fertige Manuscript
»Kammerdiener« zum Lesen mitgegeben und Abends bin ich bei ihm. Wenn
es ihm nicht gefiele, wäre ich recht enttäuscht. Ich weiss, es sind
noch stilistische Mängel, die ich beheben werde.

A. findet den »Kammerdiener« ausgezeichnet, sowohl als Einfall, wie
stilistisch. Nur beim Schluss macht er Einwendungen. Ich bin nicht
eigensinnig, aber da kann ich nicht mit. Er will, dass sich Noni lächelnd
damit abfindet, dass sie dem »Diener« angehört hat und dass er sich
lächelnd als Gentleman empfiehlt. Ich dagegen lasse ihn in ihr Zimmer
eindringen, sich zu erkennen und ihr zu verstehen geben, was sie für
ein Geschöpf ist. Dann empfiehlt er sich als Kavalier.

14.2. Vormittag bei Harry, der noch immer fiebert. Abend mit A. bei
»Die gelbe Lilie« im Kino, nachher in der »Linde« genachtmahlt. Kälte
und Schnee.

15.2. Vormittag gearbeitet. Einen zweiten Schluss zum »Kammerdiener«
gemacht. Er insultiert Noni nur in Gedanken, so dass seine und meine
Stellungnahme zu diesem Wesen herauskommt und geht als Kavalier, ohne
dass sie erfährt, dass er ein Diener ist.

A. zu Tisch bei mir, findet diesen Schluss sehr gut. Aber ich bin ei¬
gentlich mehr für den andern.

Kälte. 21 Grad am Fenster.

16.2. Bei Harry, der noch immer nicht wohl ist. Zu Mittag bei Kleins.