Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 5.–11. Januar 1929


Verdächtigung, Abneigung gegen die O., Angst und böse Ahnungen. Sie
scheint mehr zu wissen. Sie sagte, wenn nur nicht noch et[w]as Schreckli¬
ches Herauskommt. Ich glaube, sie hat mich gern. Aber ich frug nichts
weiter.

Harry zu Tisch. Gespräch über seinen schlechten Verkehr. Melingo etc.
Karl und Magda auf dem Semmering.

Vorige Nacht hatte ich einen bösen Traum in Zusammenhang mit Cary, der
mich verstimmte. Diese Nacht von Olga und Heini lebhaft geträumt.
Ich träume überhaupt zu viel.

6.1. In der Früh Anruf A. aus Berlin. Sehr lieb. Nachmittag noch einen
Expressbrief. Daher mein Wohlbefinden. Von Kleins ein entzückendes Kin¬
derbild A.'s bekommen. Er sieht darauf Lili sehr ähnlich, nur viel
hübscher und gütiger. Morgen kommt A. zurück. Gott gebe uns ein gutes
Wiedersehen und Beisammensein.

8.1. Er kam eine Stunde nach der Ankunft sehr animiert und herzlich zu
mir herüber. Aber auf meine Freude ist ein Hauch von Trauer und Ent¬
täuschung gefallen. Er war doch täglich mit der O. beisammen. Wozu?
Ich weiss heute genau, dass er sie nicht liebt – aber es ist eben ein Grad von
Schwäche, der mich erbittert. Deplazierte Rücksichtsnahme, Angst vor
Szenen, was weiss ich? Dabei gegen mich von einer fast jünglinghaften
Verliebtheit. Heute Abend bei ihm.

10.1. Gestern im Kino »Freiwild« -Film. Hugo H. und Gerty zufäl¬
lig getroffen. Dem Film fehlt die Atmosphäre, aber der Sinn des Stückes
kommt doch zum Ausdruck. Im Restaurant Hartmann genachtmahlt.

11.1. Gestern bei A. zum Abendessen, dann in der Nachtvorstellung Josef¬
städtertheater. Revue »Es liegt in der Luft« (Berlin). Hübsche Musik,
schreckliche Weiber. Mit Beer-Hofmanns nachhause gefahren. Seit 3 Tagen
abnorme Kälte, 14 Grad.

Heute Vormittag Stadt. Besuch bei Hofrätin Z. Dann zu Tisch bei Otto-