Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 1.–5. Januar 1929


1.1. Tante Clara und Kinder zu Tisch, ganzen Nachmittag und Abend allein.
Trübe Gedanken. Am »Kammerdiener« geschrieben, da ich bei »Corday« der¬
zeit nicht weiterkomme.

2.1. Schneefälle. Ich bin wie auf einer fernen Insel. Die Elektrische
und die Autos kommen kaum vorwärts. Verkehrsstörungen.

3.12. Täglich gute, zärtliche Briefe von A. Wenn er nur schon da wäre!
Zum Thee Felix Salten und Gattin, Sil Vara und Freundin. Es musste sein,
man kann sichs nicht mit allen Menschen verderben. Sil Vara recht sym¬
pathisch, alle Andern minder, besonders die Freundin Frau C. Kriechend
lieb zu mir, herrlich gekleidet, aber der gemeine Zug um den Mund täuscht
mich nicht. Alle entzückt von meiner Wohnung. Beim Fortgehen F. S. hef¬
tige Ausfälle gegen die O. Wie kann A. S. den Sylvesterabend mit diesem
Weib verbringen! Ich sagte wieder sanft mein Verserl auf. Ganz belang¬
los, Rücksicht auf dem Sohn, Schwiegersohn etc. Auch die Liebe zu dem
Schwiegersohn versteht niemand, – ich auch nicht.

4.1. Zum ersten Mal wieder in der Stadt, aber bald wieder zuhause. Putön¬
chen zu Tisch, er war furchtbar lieb und herzlich zu mir und ich hatte
das Gefühl einer Untreue gegen A., nur weil ich mich dabei wohl fühlte.
Ich erzählte dabei fortwährend von A. und liess keinen Zweifel über die
Art unserer Beziehung offen. Ich nehme alle diese Dinge sehr genau
und bin für die strengste Ehrlichkeit, die ich ja auch verlange. Ich habe
den Besuch sofort nach Berlin berichtet.

Ziemlich viel Schmerzen gegen Abend, wie oft in der letzten Zeit. Manch¬
mal mache ich mir Gedanken -

5.1. Nachmittag in der Sternwartestrasse, mit Minna beraten, wie man
Lilis ehemaliges Zimmer umstellen könnte, für das ich ihm den Tisch
zu Weihnachten schenkte. Es sieht so arm aus, da ja die O. die Möbel
nach Berlin genommen hat. Plötzlich fing dieses sonst so stille
Mädchen an mit mir zu sprechen. Abneigung gegen den Schwiegersohn, fast