Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 25.–31. Dezember 1928

Heute Abend bei ihm.

26.12. Und nun ist er fort. Ich war auch heute zu Tisch und bis 4 Uhr
bei ihm. Um 6 Uhr ging sein Zug. Ich muss mich erst an den Gedanken ge¬
wöhnen, dass er fort ist. Und gleich nach seiner Abreise brachte mir Minna
einen Strauss Flieder in seinem Auftrag. Ich finde das rührend lieb von
ihm.

Harry und Fredi zum Abendessen.

27.12. Zuhause. Innere Unruhe. Vergeblicher Versuch zu arbeiten. Um die
Mittagszeit kurzer Spaziergang, treffe Salten und Gattin. Bitte sie für
den 3. zum Thee. Lade telefonisch Sil Vara und seine Freundin dazu.

Sie nehmen sehr erfreut an.

Abend Otto und Anna bei mir.

28.12. Vormittag zuhause. Nachmittag bei Alma Mahler, langes Gespräch
mit Werfel über meine Gedichte. Er findet, ich nütze meine lyrische
Begabung nicht genügend aus. Einige meiner Gedichte vollendet, und
auch bei den schwächeren Gedichten starkes musikalisches Empfinden.
Komische Wirtschaft dort. Mischung von Bohème und Bürgerlichkeit.
Beim Fortgehen Alma wieder sehr ausfällig gegen die O. Ich betone, dass
die Existenz der O. für mich ganz belanglos ist und mir A.'s Reise
nach Berlin nur wegen der Möglichkeiten von Erkältungen und Aufregun¬
gen zuwider ist. Es waren viele Maler dort, mit denen Alma per Du ist,
aber auch mit einer Art Diener ist sie per Du (17 Jahre alt und schlam¬
pert). Eine andere Welt!

30.12. Harry zu Tisch, sonst den ganzen Tag allein. Meinem Mädchen gekün¬
digt.

31.12. Einsamer Sylvesterabend. Brief von A. Sehr lieb, aber er kommt
erst nächste Woche zurück. Düstere Stimmung meinerseits. Um 11 Uhr
mit Schlafmittel zu Bett.