Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 5. Januar 1929

Berlin, 5.1.1929

nach dem Frühstück.

Mein Liebes, also Elisabeth hat sich doch wieder gemeldet – während ich
nicht im Hotel war – dann war sie wieder nicht zu erreichen; und ich
hab ihr geschrieben, dass ich heute zwischen 10 und 11 Uhr Anruf erwarte.
Und gestern hat sich auch das Deutsche Theater gemel¬
det – durch den Herrn Kahane: Direktor Klein sei krank – schleppe sich
nur mühselig täglich zu den Proben – aber er habe ganz neue Ideen zum
Reigen – werde, – sobald die Frage aktuell werde – nach Wien zu mir rei¬
sen u. s. w.–Dies sind die geschäftlichen Resultate meines Aufenthaltes
bisher – und dass ich nicht vergese – Ersuchen eines Pressevereins
eine Aufführung des Abschiedssoupers (augenblicklich mein unsterblich¬
stes Werk) tantièmenfrei zu gestatten.–Von gestern ist noch zu berich¬
ten, dass ich zu Tisch bei Michaelis war, – ausser mir Lucy v. Jacoby,
Mirjiam und Naehmah – es gab Gespräche über Seelenwanderung, Religion,
Journalismus, alles in vernältnismässig heitrer Färbung. Um ½6 zuhaus.
Sehr heftige Kopfschmerzen. Nachher Oedipus (dem ich nicht beiwohnte)
mit O. und Heini genachtmahlt. Heute Mittag zu Pieterkowskys, – den
Abend habe ich mir vorläufig für Elizabeth Bergner frei gehalten.

Es bleibt also dabei, (wenn nichts unvorhergesehenes eintritt, was nicht
anzunehmen ist), dass ich Montag Abend zurückfahre – und gegen 10 hoffe
ich in Wien zu sein, rufe an, und sehe Dich jedesfalls noch Vormittag. Und
Abend bist Du hoffentlich bei mir. Ich freue mich nachhaus und zu Dir-
und denke, dazu in besserer Verfassung anzukommen als das letzte
Mal – wenn auch meine Seelenstimmung nicht eben hell ist. Doch fühl ich
mich körperlich trotz den heutigen Kopfschmerzen gar nicht übel. Du
schreibst in den letzten Tagen nichts von Deinem Befinden – so nehme
ich an, dass die Schmerzen gelinder oder ganz geschwunden sind.

Für heute mein Liebes, sag ich Dir lebwohl, drücke Dich ans Herz und um¬
arme Dich in aller Innigkeit. Dein A.

Eben ruft E.B. an, heute Abend (wenn sie nicht absagt) sprech ich sie
voraussichtlich im »Poetic Film«.