Wien, 3.1.1929.
An A.S. nach Berlin.
Mein sehr Liebes,
ich danke Dir sehr für Deine besonders lieben Zeilen,
die ich gestern Abend erhielt und ein wenig gute Wärme in meine
etwas trübselige Einsamkeit brachten. Ich hoffe, Du hältst mich nicht
für vergnügungssüchtig, weil ich von dieser Einsamkeit spreche, aber
ich war seit Samstag nicht in der Stadt und wenn selbst fallweise
ein Besuch kommt oder ein Gast, so bin ich doch viele Stunden und
viele lange Abende allein. Dieser viele viele Schnee draussen ist
ja wunderschön und ich schaue jeden Augenblick entzückt zu meinem
Fenster hinaus, aber er gibt einem noch mehr das Gefühl der Abgeschlos¬
senheit, das manchmal, vielleicht aus Nervosität zu einem Angstgefühl
wird. Ich sollte und wollte heute Vormittag in die Stadt, um für meine
Jausengäste (F. S. und Gattin und Sil Varas) einzukaufen. Aber der
Verkehr mit der Elektrischen ist höchst problematisch. Vor jedem
Wagen fährt eine Schneemaschine (ich hätte fast gesagt ein Eisbre¬
cher) und ein Auto ist mir zu kostspielig für den Zweck. So werden
sich die Herrschaften mit Cottage – Produkten begnügen müssen. Ich war
sehr froh gestern Frieda zu Tisch zu haben. Ich diktierte ihr dann
einen Brief an den Verlag Weller und fünf grosse Seiten »Kammerdie¬
ner«, an dem ich dann am Abend weiterschrieb.
Ueber die Chancen mit Elisabeth freue ich mich sehr. Hof¬
fentlich wird wirklich was daraus. Erinnerst Du Dich, dass es mein
erster Gedanke war, als Du mir die »Else« zuerst vorgelesen hast. Ich
sagte damals, das müsste die Bergner spielen. Ich sah es immer als
eine Art Monodrama vor mir. Ich schreib Dir heute Abend wohl noch
mehr. Jetzt muss ich mit meinen Röhrenstiefeln in den Schnee hinaus
einkaufen und zur Post. Ich freue mich schon so Dich
wieder hier zu haben. In diesem Gedanken umarme ich Dich – - -
Deine C.K.