An A.S. Berlin.
Wien, 30. 12.1928.
Mein Liebes,
ich war so froh heute Früh Deine liebe Stimme zu hören,
sie klang ganz nah und sehr warm. Im übrigen ist heute ein grauer, un¬
angenehmer Tag und ich habe der Sophie gekündigt und mich über alle
Massen geärgert. Vorgestern, als ich von der Alma heimkam, brannte das
Licht in ihrem Zimmer, in der Küche, im Hausflur, auf der Treppe, im Vor¬
zimmer und in meinem Schlafzimmer. Ich fand sie dabei, mein Bett zu
machen. Als ich sie wegen dieser sinnlosen Verschwendung zur Rede stell¬
te, lachte sie dumm wie immer. Gestern als ich heimkam – es war ¼ 7 -
und ich seit Vormittag 11 Uhr fort – fand ich mein Zimmer eiskalt, weil
sie den Ofen abgesperrt hatte und ich musste mich ins Bett legen, um
nicht zu erfrieren. Heute stellte sich wieder heraus, dass sie dem Fleisch¬
hauer eine Rechnung doppelt bezahlt hatte. Als ich ihr neuerliches
dummes Lachen vorwarf wurde sie frech und ich kündigte ihr. Ich will
mich nicht, was meine Arbeit oder richtiger mein Nichtarbeiten anbelangt,
auf sie ausreden, aber sie ist schon mit Schuld. Denn erstens
macht sie mir mein Leben gar nicht behaglich und zweitens bin ich nie
beruhigt über das, was sie tut oder nicht tut.
Ich bin heute gar nicht ausgegangen. Mittag war Hery hier
(der einen schrecklichen Schnupfen hat) und jetzt bin und bleibe ich
allein. Morgen wird es wahrscheinlich au[c]h so sein. Ich werde wohl das
Neue Jahr ganz einsam begrüssen und doch mit meinem ganzen Herzen bei
Dir und mit allen meinen Gedanken um Dich sein. Ich habe Dich lieb und
jeder Schmerz, den Du fühlst, ist auch ein Schmerz für mich. So ist die¬
ses Jahr in mehr als einem Sinn auch für mich ein sehr trauriges Jahr
gewesen. Ich weiss, dass es für Dich kein Vergessen geben kann und ich
wünsche mir, nur die Macht Dir über böse Stunden, die noch diesem Leid
zugehören, hinweghelfen zu können und Dir eine wirkliche grosse Freude.
Komm bald und komm gesund zurück. Ich küsse Dich innig. Deine C.K.