Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 27. Dezember 1928


hagen vorhanden. Ich hoffe, mein Liebes, Du bist in guter Ver[f]assung
dort angekommen und freue mich schon einem ersten Bericht entgegen.
Morgen Nachmittag bei Alma. Ich bin schon neugierig, wie das sein
wird. Ich will morgen Vormittag arbeiten, und da der Nachmittag ent¬
fällt, und erst Samstag Vormittag wieder in die Stadt und zu Tisch zu
meiner Schwester fahren.

Heute kommen noch Otto und Anna zum Nachtmahl. Meine
Schwägerin ist erkältet. Aber da der Hasenrücken sich nicht halten
würde, wollte ich nicht verschieben. Die Eugenie (von Heinrich Mann)
habe ich noch gestern zu lesen begonnen, aber vorläufig finde ich kei¬
nen Gefallen daran. Die Merkmale der Zeit sind rein äusserliche, die
Atmosphäre fehlt.

Mein Liebes, wenn Du wüsstest, wie merkwürdig mir zumut
ist Dich so weit fort unter andern Menschen zu wissen. Ich bin gar
nicht mehr traurig heute, aber ich befinde mich in einem Ausnahms¬
zustand. Meine Wohnung, die ganze Gegend erscheint mir anders und
fremder. Ich merke jetzt erst, dass ich noch nicht ganz eingewöhnt
bin.

Nun sage ich Dir aber für heute gute Nacht und trage den
Brief selbst in den Kasten. Einen guten innigen Kuss.

Deine C.K.