Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 9.–11. Oktober 1928


die schon vor 8 Jahren überall erklärt hat, er sei senil und unfähig
zu arbeiten.

Wohnungskonferenzen. Es wird ernst. Kleine Wohnung Ecke Hochschul-Hase¬
nauerstrasse. Für mich sehr geeignet, aber teuer. Ich berichte darüber
an A. In diesem Fall kann nur er entscheiden. Ich bin müde, müde.
Bei Ferda Bloch wegen Stelle für Harry. Er war reizend, versprach sein
Möglichstes zu tun.

11.10. Anruf aus Berlin. Ich soll mir die Wohnung in der Hochschulstrasse
nicht entgehen lassen, er kommt für alles auf etc. Ich sagte, davon könne
nicht die Rede sein, aber wenn es ihn wirklich freut mich in seiner Nähe zu haben,
so werde ich es dankbar annehmen, wenn er zu dem Goldzins etwas beiträgt.
Er: »Muss ich dir das erst erklären? Das weisst du doch. Ich hätte doch
nicht mit dem Baumeister Siebert selbst gesprochen, wenn ich es nicht
wünschte etc.«

In letzter Minute macht mir der Hausherr hier Geschichten, will seine
Einwilligung nicht geben. Ich gehe ganz verheult zum Thee der Berta Z.
Alles erledigt. Bruder Otto hat die ganze Transaktion durchgeführt.
Ich habe (leider) das Gefühl mich plötzlich in einer grossen Gefahr zu
befinden, mich in eine Situation begeben, die ich nicht durchhalten werde.
Ich habe es wollen im Grunde meines Herzens, genau das habe ich wollen,
eine solche Wohnung in seiner Nähe. Aber wie wird er sich weiterhin
zu mir verhalten – wird es das Glück sein, dass es sein könnte?

Man hat ihn mit der O. im Theater gesehen. Aber seine Briefe klingen
so lieb und herzlich wie noch nie. Ach, wenn ich über diese Frau hinweg¬
käme. Meine Stimmung gedrückt. Ich weiss, dass er sie in Berlin
sieht, und doch, wenn ich es bestätigt höre – -

Ich bin wie ein gehetztes Tier.

A. zurück. Nach anfänglicher Gereiztheit meinerseits, wieder gutes Ein¬