II. Brief.
8.10.1928. Berlin.
Hotel Esplanade.
Mein Liebes, Dein Brief vom 7. Sonntag ist glücklicherweise heute Mittag
angelangt; so lass ich meiner Karte von Morgens in einer ruhigen
Stunde diese ausführlichen Zeilen folgen. Du weisst schon, dass ich
gestern Vormittag mit Dora einen langen Spaziergang in den schönen
Grunewaldstrassen machte und bei Michaelis zu Mittag speiste. Zwei
Söhne und die Schwiegertochter Ilse waren anwesend, ich probi[e]rte den
neuen Steinway, der kürzlich angeschafft wurde. Man speist so spät
in Berlin ich ruhte mich im Hotel ein wenig aus, sah mir einen sehr
spannenden Film an, Looping the loop, in dem Werner Krauss ausserordent¬
lich war; nachtmahlte mit Heini, der aus den Webern kam, wo er eine
kleine Rolle hat und früh fertig ist. Gut geschlafen, in verhältnis¬
mässigem Wohlsein erwacht. 7–8 Telefongespräche. Ins Deutsche Theater;
Max Reinhardt wollte dort sein. Weder er noch sein Bruder, noch Kahane
waren anwesend; – ich liess meine Karte dort, wollte noch zu Czinner, den
ich gestern angerufen. ([»]Frau Elisabeth
B. in ›Probennoth‹ (Julia), sehr nervös, – entzückend dass Sie mich anru¬
fen. Film Else noch nicht fertig«.) war aber plötzlich so hin, dass ich
ins Hotel fuhr mich auf eine Stunde hinlegen. Es kommen zum Essen
Herr Kohner und Biro; – Hermann liess sich entschuldigen; statt seiner
der Generaldirector der »Universal« Friedmann und – Lämmle junior, der
Neffe des Chefs – um 12 per Flugzeug aus München angelangt; vor 2
Tagen aus Amerika.– Sie wollte meine Bedingungen wissen, gaben selbst
keine an. Wünschten sichtlich mich hineinfallen zu lassen. Ich er¬
klärte[,] dass ich ihnen Freitag nach Rücksprache mit Advokaten (alias
Bermann) Näheres sagen werde; wo auch Biro schon seinen Filmentwurf
»Spiel im Morgengrauen«, vorlegen würde.– Sie waren persönlich sehr nett,–
und meinen es offenbar ernst. Heini kam zum schwarzen Kaffee, und ver¬
stand sich gleich sehr gut mit Herrn Kohner. Der junge Herr Lämmle hat
in Amerika bei einem Autounfall eben vier Finger der linken Hand ver¬