Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 21.–28. September 1928

Anruf Bertha Z. in grösster Aufregung. Sie war beim Frühstück bei
Alma und Werfel die sich nicht fassen können, mit welcher Teilnahme
A. von der O. spricht. Almas Tochter Anny hat erzählt, wie empörend
die O. sich in Venedig benommen haben soll. Sie ist angeblich in
ihren Schwiegersohn Arnoldo verliebt und soll es von jeher gewesen
sein. Sie sei mit ihm eng umschlungen in einer Gondel gefahren, bet¬
tet seinen Kopf immer an ihre Brust etc. Alle Bekannten dort,
inklusive des Generals (von Arnoldo) sollen empört sein. Wer[f]el spre¬
che von der O. nur per »die Sau«. Das ist die Frau, um derentwillen
ich leiden muss.

25.9. Gehetztes Dasein, Sorgen. Mit A. ruhige Freundlichkeit.

26.9. Reflektanten auf meine Wohnung. Es wird mir nichts übrig blei¬
ben als abzuschliessen. Mit A. bei der »Linde« genachtmahlt, er ist
sehr erkältet.

28.9. A. hat mir sein neues Stück vorgelesen. Ich finde es aus¬
gezeichnet, sehr bühnenwirksam, stellenweise ergreifend. Die Führung
und Durchführung vorbildlich und trotzdem hat es nicht das dichteri¬
sche Niveau seiner anderen Stücke, vom »Gang zumWeiher« z.B. (trotz
aller Schwächen und Peinlichkeiten dieses Stückes) oder von »Medar¬
dus«, »Beatrice«, »Bernhardi«. Aber ich glaube an einen Erfolg die¬
ses Stückes.

A. in guter Stimmung gelesen. Er hat Baumeister Siebert Auftrag ge¬
geben Wohnung für mich im 18. oder 19. Bezirk zu suchen.
Ich habe A. Modernisierung vom »Zug der Schatten« geraten, Uebertra¬
gung in unsere Zeit.

Abend mit Bertha Z. bei A. Recht gemütlich und animiert.

Wenn ich daran denke, dass ich meine Wohnung, in der ich geboren bin,
in der Eltern und Grosseltern lebten, verlassen soll – -