Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 20.–21. September 1928


Und erkläre, dass ich mir unter keiner Bedingung helfen lasse. Heftige
Auseinandersetzungen dadurch provoziert. Unbegreifliches Benehmen
von Frieda, die dazu kommt. Absolute Parteinahme für A. Ich stehe da wie
eine Verbrecherin, die den armen Mann zur Verzweiflung bringt. Was ich
seit Monaten, Jahren mitmache, zählt alles nicht, Alles was ich vor¬
bringe, ist »Idiotie, kleinlich, schmählich«. Ich fühle, das einzig Rich¬
tige wäre fortstürzen, die Türe zuschlagen, nie wieder kommen. Aber ich
kann nicht, darf nicht. Wenn diese Aufregungen Folgen hätten, wie könn¬
te ich das ertragen. Frieda verlässt für einen Augenblick das Zimmer.
Er kommt auf mich zu. »Siehst du ein, dass du Unrecht hast, daß du zur
Besinnung kommen musst?« – Ich wiederhole mechanisch: »Ja, ja, ich habe
Unrecht, ich habe Schuld.« Er: »Nicht mit dem Mund sollst du es sagen,
mit dem Herzen. Gib mir deine Hand.« Er küsst mich. So. Erledigt.
Er tut was er will und ich kusch. Wie graut mir vor dieser Existenz.
21.9. Vormittag in der Stadt. Ich begegne Max L. Er frägt mich nach
A. Ich sage, dass seine Stimmung meist noch eine verzweifelte ist.
Max L. darauf: »Ich sage Ihnen, an allem ist diese Frau (O.) schuld.
Ihr Einfluss auf junge Wesen war ein geradezu verderblicher. Meine
Nichte Steffi (die sich wegen des Psychiater U. umgebracht hat) hat
sie auch auf dem Gewissen.« Ich: »Sie begreifen, dass ich über diese
Frau nicht reden will, obwohl sie mir vor Jahren, als ich mit A. noch nicht be¬
freundet war, schon sehr unsympathisch schien.« M.L.: »Ach,was wissen
Sie von dieser Frau! Eine Person, die ihre 12jährige Tochter in Stich
lässt, sich »ausleben« muss. Kein junges Mädchen, das mit ihr in Berührung
kam, ist glücklich geworden«. etc.

Am Abend bei »Bernhardi« mit A. und Frieda.

Verhandlungen mit Mieter und eventuellen Käufer, meiner Wohnung. Wo
und wie werde ich enden?