Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 31. August 1928

Hohenschwangau, 31.8.1928.

Mein Liebes, gestern Mittag sind Heini und Ruth abgereist; es war
ein Regentag und erst gegen Abend war es möglich ein Stündchen spa¬
zieren zu gehen. Heute unsicheres Wetter, immerhin Sonne und herbst¬
liche Frische. Gestern hab ich das Spiel der Sommerlüfte durchgesehen; -
gegen die Führung ist nichts einzuwenden; – aber es fehlt noch (wenig¬
stens an wichtigen Stellen) die Atmosphäre – das Sommerlüftige,-
auf das es vor allem ankommt – Und es brauchte eine ganz besonders
reine freie Stimmung, um dies unfassbare herauszubringen. Immerhin
bleibt es von den drei Stücken das am weitesten entwickelte; mit
den geringsten äussern Chancen.-

Wir reisen voraussichtlich morgen Abend nach München und werden dort
mit Michaelis, die ihre Reise gleichfalls vorgeschoben haben, wegen
Regenwetter, ein bis zwei Tage verbringen. So werde ich voraussicht¬
lich schon Dienstag in Wien sein. Liebste – ich bitte Dich, keine
Blumen, – ich weiss, dass Du Dich ein bischen freust mich wiederzu¬
sehen – und Du weisst es auch von mir – wenn ich auch nicht viel
darüber zu reden vermag.–Ich habe den besten Willen mein Leben mit
möglichst viel Sinn weiter zu führen; Du kannst mir dazu verhelfen -
Du willst es auch – und ich werde Dir dafür und für Deine Liebe und
Deine Nachsicht mit meinem ganzen Herzen so weit es lebendig ist
danken. Mein Liebes, ich sende diesen Brief express, da er wohl Sonn¬
tag in Wien anlangen dürfte. Ich hoffe Dich bei gutem Befinden und
in guter Stimmung wiederzufinden und umarme Dich sehr zärtlich.
Du erhältst Montag jedenfalls noch eine Nachricht. Für heute, Liebste,
lebwohl. Dein

A.