Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 27. August 1928


Morgen werde ich mich entscheiden, ob ich Mittwoch oder Donnerstag
nach Wien fahre. Morgen höre ich wohl auch, wann Du dort eintriffst.
Mein Expressbrief dürfte heute Früh bei Dir sein und wenn Du gleich
express geantwortet hast, so habe den Deinen morgen Mittag.

Heute war ein sehr sehr heisser Tag. Vormittag bin ich
mit Emmy die Johannespromende gegangen, wo Du und ich im Mai vor einem
Jahr zusammen wanderten.

Wir sprachen viel über das Durchhaltenkön¬
nen und [-m]üssen im Leben etc. Sie erzählte manches von sich und wie
schwer sie sich zu dieser inneren »Freiheit«, wie sie es nennt, durch¬
gerungen hat. Diese Freiheit ist aber nichts als eine grenzenlose
Einsamkeit.

Du kannst Dir denken, dass ich nicht gerade fröhlich nach
Hause kam. Und auch jetzt – es ist ganz still, ganz still um mich her.
Vor meinem offenen Fenster rauschen die Tannen, es ist sommerlich
warm und ich bin allein – allein.

Gute Nacht, mein Kind, ich küsse Dich.

Deine C.K.