Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 25. August 1928

Sechster oder siebenter Brief. Hohenschwangau, 25.8.1928.

Mein Liebes, jetzt haben sich Deine Briefe angewöhnt in der Früh um
acht Uhr zu kommen, was ich sehr schön finde und so habe ich schon
den Deinen – vom 22.! – Ja, die Briefe kommen erst ungefähr am 3.
Tag, wie überhaupt dieses Hohenschwangau in neuen Verkehrsverhält¬
nissen trotz aller Autobusse ebenso zurückgeblieben ist.-

Von gestern ist nichts neues zu berichten; ein Vormittagspaziergang
um den See mit A. und O.; – den ganzen Nachmittag auf dem Zimmer; -
ein paar Stunden in einer ununterbrochenen Hysterie auf dem Bett ge¬
legen; erst gegen 8 hinunter, wo ich ein bischen hin und herging.
Von Dora ein Brief, sie werde – mit Familie – am 31. kommen; ich ersu¬
che sie telegraphisch, wenn möglich früher da zu sein. Heute ein be¬
deckter schwüler Tag. Ich gehe an den See, vielleicht mit den Andern
zum Schloss hinauf. Zu einer grösseren Partie kann ich mich nicht ent¬
schliessen; denkbar, dass wir einmal mit dem Auto über den Firnpass
fahren.

Dies ist nur ein Lebenszeichen, mein Liebes. -Denn zu schreiben hätt
ich nur und könnt ich nur, was du weisst – Und Du wirst Dich nicht
wundern, dass mein Gemütszustand sich vorläufig nicht zum bessern
wendet. Doch freu ich mich der Landschaft und bin ihr dankbar; und
es tut mir wohl, dass nun alle da sind, durch die ich mit Lili
noch verbunden bin.

Lebwohl, -Liebstes -ich denke in tiefer Zärtlichkeit an Dich und um-
arme Dich von Herzen.Dein

A.