Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 24. August 1928

Hohlenschwangau, 24.8.1928.

Mein Liebes, gestern kam den ganzen Tag kein Brief von Dir -dafür
heute mit der ersten Post (es gibt nur zwei) – und ich merke doch
mit Freude, dass Dir die Erholungstage auf dem Semmering körperlich
und seelisch wohl tun; -brich sie nicht aus kleinlichen Rücksichten zu
früh ab.

Von vorgestern hab ich noch zu berichten, dass mein Arbeitsversuch
völlig missglückte. Seelische, geistige, körperliche Müdigkeit und Kri¬
sen die vorläufig nicht besser werden. Ich klage nicht darüber – ja,
ich bin überzeugt, dass es allmählig und vielleicht bald besser werden
[w]ird, man muss eben Geduld haben.

Gestern Vormittag allein an den See; köstliches Herbstwetter, die Land¬
schaft noch ergreifender; und mein Herz noch schwerer.-
Nachmittag kamen O. und A.; Berichte aus Venedig – nun ist alles er¬
ledigt.–Lass mich über alles Nähere und über die Abendstunden schwei¬
gen.-

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in den letzten Augusttagen Dora
kommt und zusammen mit O. nach Berlin fährt; das genaue Datum kann
ich heute noch nicht sagen.–Ich habe keine weitere Nachricht von Dora; -
es kam gestern vom Karersee ein Brief an O. – A. muss
am 5.9. in Sicilien – einem kleinen Nest Ragusa (so heisst es nämlich)
sein; – eine willkürliche, ja wie es scheint irrtümliche Verfügung.-
Aber es wird wohl Monate dauern, bis die Sache richtig gestellt wird.
Welche Existenz! – Und es ist doch noch immer wie ein böser Traum.
Im Schlaf weiss ich gar nichts; – und am Morgen geht der böse Traum wie¬
der weiter. Lebwohl für heute, mein geliebtes Kind, Deine Briefe tun
mir sehr wohl. Ich umarme Dich zärtlich. Dein

A.