Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 14.–17. Juni 1928


in den Finger schnitt. Rückfahrt herrlich. Erst nach Traunkirchen hef¬
tiges Gewitter.

15.6. Heute Regentag. Arbeit. Korrektur des Romans. Briefe geschrieben.
A. einsilbig-kühl. Ich kenne diese Stimmungen bei ihm, mache mir nichts
mehr daraus. Eben kam er herein, klagte, dass er friert. Ich machte ihn
aufmerksam, dass er eine Leinenjacke, wie an einem heissen Tag an
hat und eine warme anziehen sollte. Ich glaube, manchnal ärgert er sich,
dass er mich braucht. Wie kindisch ist doch so ein grosser Mann!

16.6. Heute kam A. in aller Früh mit strahlendem Lächeln, ganz himmel¬
blauen Augen und allerlei Süssigkeiten bepackt, zu mir herein. Die
schlechte Laune ist vorbei. Wir machten einen wundervollen, 2½ Stunden
langen Spaziergang. Ueber Ahornbühl, Lindau, Pfandl und Elisabethpromenade
zurück. Gespräche über Gott, über Wunder und dass es eine Anmassung ist
sich über Gottes Werk zu wundern. Ich sagte: »Wundern schliesst im¬
mer auch Zweifel ein. Das Wort »staunen« ist richtiger. Es drückt naive
Ergriffenheit aus.« A. sagte viel über die Landschaft, über ihre Wirkung
als Natur und als Dekoration.

Nach Tisch wieder bei Zauner. A. nascht gerne wie ein kleines Kind.
Morgen sollen wir Nachmittag nach Aussee hinüber das Ehepaar Z. besu¬
chen. A. hat sie zu Tisch herübergebeten, aber Mimi Z. ist nicht wohl.
Hoffentlich ist das Wetter sicherer als heute. Regen steht am Himmel.

17.6. Aus dem Ausseer Ausflug ist nichts geworden, denn es regnet, regnet.
A. kam zeitlich in der Früh zu mir herein, setzte sich auf mein Bett.
Wir gingen erst gegen Mittag fort (Kaisergarten). A. den ganzen Tag sehr
lieb und zärtlich. Nach Tisch wieder bei Zauner, eine Frau Flegmann ge¬
sprochen. (Alte, kluge Jüdin, einst mit Brahms befreundet). Gegen Abend
im Kino »Liebe einer Nonne«. Unbeträchtlicher, aber nicht allzu langwei¬
liger Film. Nach dem Nachtmahl in der Halle gelesen (Rahel Sanzara, »Das